Der Brennende Salamander
fallenläßt, verliert sie alles. Also muß er ihre Tochter bekommen, um jeden Preis. Und dazu gibt es nur eine einzige Möglichkeit. Oder fast nur eine, sagte Matteo achselzuckend.
Ich hatte nie viel von Geldgeschäften verstanden, ich wußte nicht einmal, was Fallierer eigentlich waren. Und ich wußte keinerlei Rat, wie Brigida zu helfen gewesen wäre. Und ich kam auch nicht mehr dazu, Matteo um Rat zu bitten, da er sich hastig verabschiedete: Ich muß gehen, ich muß morgen früh zu unserer Filiale nach Neapel reiten, und vermutlich wäre es besser, Brigida würde einen von diesen beiden anderen …
Ich erfuhr nicht mehr, was Matteo mir noch mitteilen wollte. Ich sah seinen Prinzipal um die Ecke biegen und konnte mir vorstellen, daß der nicht sehr davon erbaut war, seinen Angestellten am hellen Vormittag beim Schwätzen auf der Straße zu entdecken.
Das Essen war bereits voll im Gange, als ich atemlos in das Speisezimmer kam. Ich entschuldigte mich hastig, dann erst entdeckte ich mir zur Linken und auf dem Platz, auf dem normalerweise Messer Orelli saß, zwei fremde Gesichter: zwei Männer, der eine etwa fünfundzwanzig, der andere mochte etwas älter sein. Beide machten einen seriösen Eindruck, und ich nahm an, daß es sich um Geschäftsfreunde des Hauses handelte.
Um nicht völlig stumm dazusitzen, versuchte ich ein Gespräch in Gang zu bringen, wobei ich wieder einmal feststellen mußte, daß ich nur ein sehr mäßiger Unterhalter war und von der Eloquenz Roccos nicht einen winzigen Teil vorzuweisen hatte. Ich erkundigte mich also höflich nach dem Heimatort des Gastes zur Linken, der meine Frage lächelnd mit einer Handbewegung beantwortete. Er sei in der ganzen Welt zu Hause, sagte er dann freundlich.
In der Annahme, er sei einer der reichen Handelsherren, die bisweilen zu Besuch kamen, fragte ich ihn: Und womit handelt Ihr?
Der Mann wischte sich sorgfältig den Mund mit der Serviette ab, dann lachte er. Was nehmt Ihr denn an?
Ich zuckte mit den Achseln und spürte unter dem Tisch einen harten Schlag gegen meinen Fuß, so daß ich diesen irritiert zurückzog. Vielleicht seid Ihr ein Tuchhändler?
Der Mann hob sein Glas an den Mund. Nein, das bin ich nicht.
Vielleicht seid Ihr Sozius in einer Bank?
Der Mann verschluckte sich nahezu. Nein, das bin ich gewiß auch nicht, prustete er dann.
Laß ihn nicht weiter raten! sagte Mona Orelli gereizt und befahl der Köchin, die heute unerwarteterweise auftrug, mit einem harschen Wink, ihr Glas zu füllen. Er handelt mit Menschen. Ja, ja, ja, sagte sie, als sie mein verblüfftes Gesicht sah, es ist so. Er ist Sklavenhändler.
Mir fiel nichts ein, was ich Verbindliches zu einem Sklavenhändler hätte sagen können, und wandte mich dem Mann zu, der auf Messer Orellis Platz saß, da ich annahm, er habe den gleichen Beruf. Aber offenbar trat ich auch hier in den Fettnapf, und Mona Orelli sagte, noch bevor der Mann auf meine höfliche Frage antworten konnte, noch um eine Spur gereizter, er sei feneratoro in Mailand. Und damit Ihr Euer armes Hirn nicht noch weiter anstrengen müßt: Das ist die vornehme Bezeichnung für einen Pfandleiher. Ich hoffe, daß damit alle Fragen beantwortet sind – im übrigen sind die beiden Herren meine Söhne, die ich nach langen Jahren endlich wieder einmal sehe.
Der Rest des Essens verlief schweigsam. Daniele tippte sich an die Stirn, als wir das Speisezimmer verlassen hatten und wieder in unserem Atelier waren. Mamma mia , du merkst auch wirklich nichts! Nicht einmal, wenn man dich unter dem Tisch mit dem Fuß tritt.
Woher sollte ich wissen, was das bedeutet?
So was weiß man einfach.
Habt ihr anderen über diese Männer Bescheid gewußt?
Von Sadona. Mona Orelli hat ihre Kinder seinerzeit genauso zurückgelassen wie meine Mutter mich, als sie wieder heiratete, sagte Daniele zornig, genauso. Zieht einfach weg mit dem neuen Mann, läßt die Kinder zurück bei irgendwem, kümmert sich nie mehr um sie und sieht sie vielleicht erst wieder, wenn sie selber wieder Kinder haben. Manche sieht sie auch nie mehr wieder, weil sie weiß Gott wohin gezogen sind. Und falls du noch mehr wissen willst, der Sklavenhändler war es, der Sadonas Gesicht einst verunstaltet hat. Da war er bereits in der Lehre bei einem maestro , falls es bei denen so etwas gibt.
Hat deswegen Sadona heute nicht bei Tisch bedient?
Ja, sie ist heute morgen ganz entsetzt zu uns heraufgekommen und hat uns alles erzählt, sagte Lazzaro. Dann wollte sie, daß einer
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