Der Brennende Salamander
immer gewünscht hatte, daß mich ein Mädchen anschauen würde. Maler? sagte sie. Das ist ja wunderbar.
Nun, noch arbeite ich bei einem Färber, wie du siehst. Ich will mich zunächst intensiv mit Farben beschäftigen. Man braucht das einfach für später.
Sie nickte. Das ist sehr klug, sagte sie dann, sehr klug. Da meinen viele, sie könnten gleich Porträtist werden, aber im Grunde genommen malen sie dann auch nichts anderes als Kopffüßer.
Kopffüßer? fragte ich verblüfft.
Sie lachte. Nun ja, als Kind habe ich wie vermutlich alle Kinder, wenn sie Menschen malen wollen, immer einen riesigen Kopf gemalt und daran hängte ich dann die Füße und die Arme, den Körper schenkte ich mir. Kennst du das nicht?
Ich schüttelte den Kopf, ertappte mich beim Lächeln. Kopffüßer, das klingt lustig. Ich wüßte gern, wie sie aussehen.
Und so gingen wir an diesem Tag des San Giovanni, an dem die ganze Stadt zusammengekommen war, um den Palio zu sehen, zum Arno hinunter, setzten uns in den Sand und zeichneten unter großem Gelächter Kopffüßer. Fünf, zehn, zum Schluß konnten wir sie nicht mehr zählen. Sie standen in Reih und Glied am Ufer wie die Milizen unserer Stadt bei der Übung zum Krieg gegen die Franzosen.
Schließlich hörten wir auf, und ich schaute sie hilflos an. Die werden dich suchen.
Sie stand auf und schüttelte den Sand aus ihrem Kleid. Hoffentlich werden sie das, sagte sie grimmig. Dann wissen sie vielleicht endlich, daß es mich gibt.
Ich schaute sie fragend an, da ich mit dieser Antwort nichts anfangen konnte.
Das ist zu schwierig, um es jetzt zu erklären, sagte sie abweisend. Aber irgendwann einmal will ich mit dir darüber reden. Es gibt nicht so viele Leute, mit denen ich das kann.
Ich habe sie auch nicht, sagte ich stockend.
Wo wohnst du? wollte sie dann wissen.
Ich gab ihr hastig die Anschrift meines Meisters, wobei mir, schon als ich die Straße nannte, alles mehr als grotesk vorkam. Es war wohl kaum anzunehmen, daß Brigida Orelli eines Nachmittags in die Färberhallen hereinspaziert kam, um mich zum Spaziergang am Arno abzuholen.
Ich kehrte übrigens fünf Tage lang immer wieder an das Ufer zurück, wo wir die Kopffüßer in den Sand gezeichnet hatten. Sie hielten drei Tage stand, dann verwischten sich die Konturen allmählich, und Hunde und ein Gewitter gaben ihnen den Rest. Aber immerhin brachten mich diese Kopffüßer auf eine Idee. Es wurde mir klar, daß ich meine Lüge, wenn ich vor Brigida bestehen wollte, irgendwann einmal an die Realität anpassen mußte, und ich erinnerte mich an etwas, was ich als Kind an langen Winterabenden gern gemacht hatte: Ich hatte aus Lehm Gesichter geformt, nicht eben zum Brennen im Ofen, aber immerhin auf eine Weise, daß ein Aufseher einmal anerkennend gesagt hatte: Den kann man ja sogar erkennen! Und ich überlegte mir jetzt, daß es eigentlich nicht allzu schwer fallen sollte, diese bescheidene Kunst in etwas umzuformen, was man vielleicht im weitesten Sinne als Malerei bezeichnen konnte. Immerhin unterhielt Andrea della Robbia mit seinen Söhnen schon seit vielen Jahren eine berühmte Werkstatt mit glasierten Terrakottareliefs.
Wo warst du? Sie riefen es mir dreifach entgegen, als ich sie spät am Abend in einer Schenke traf, die so voll war, daß man nur einen Stehplatz bekommen konnte.
Ich begrüßte Matteo, Rocco und Daniele überschwenglich, für einen, der sehen konnte, viel zu überschwenglich, und ich war für den Bruchteil einer Sekunde versucht, vor den Freunden stolz zu triumphieren: Stellt euch vor, Brigida Orelli und ich haben am Arno Kopffüßer gezeichnet, während ihr im Staub der Straßen schwitzenden Pferden zugeschaut habt. Aber dann entschloß ich mich, so zu tun, als sei ich beim Palio gewesen, was gewiß einfacher war und weniger Fragen aufwarf.
Das Ende war ungeheuerlich, sagte Daniele und schüttelte den Kopf.
Ich stimmte begeistert zu, was jedoch offenbar nicht klug war.
Na ja, so überwältigend ist das ja auch wieder nicht, wenn sie dabei zwei Männer fast zu Tode schleifen, sagte Rocco und schaute mich mit zusammengekniffenen Augen an. Brauchst du etwa eine neue Brille?
Der Abend wurde ein recht verquälter Abend, besonders dann, als Danieles Onkel zu uns stieß und unsere Männerrunde kritisch beäugte.
Ich unterhielt mich, gab auf alle Fragen bereitwillig Antwort, aber als sie beim Weineinschenken voller Interesse meine verfärbten Hände betrachteten, und als die Fragen, ob es denn Sanguinrot oder
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