Der Brennende Salamander
den Kopf schüttelten, für eine Frau durchaus ein Ansporn waren.
T EIL D REI
V ORZEICHEN
Obwohl der Sommer nicht mehr im Zenit stand, brodelte die Stadt unter der Hitze. Aber wer Augen hatte zu sehen und Ohren zu hören, spürte, daß sie nicht nur unter der Hitze brodelte, die auch in den Nächten noch immer nicht abflaute.
Die Stadt brodelte vor allem unter den Gerüchten. Es gab kaum etwas, was nicht sofort Anlaß gab zu Mutmaßungen aller Art: Gab es da nicht bereits seit Wochen für die Reiter ständig Übungen mit den berittenen Hornisten, und übten nicht den ganzen Tag über die Herolde mit Trompeten und Hörnern Signale ein, eines für den raschen Abbruch des Lagers, eines für die Rüstung der Mannschaft zur Musterung und den Beginn der Schlacht, eines, daß das Heer vorwärts zu stürmen hatte, und ein anderes für den Rückzug? Andere Befehle wurden durch Glocken übermittelt, und die Rauchsignale und Feuerzeichen, mit denen die Wärter der Wachtürme über weite Strecken hinweg den Feind ankündigen konnten, waren zahlreich. Manchmal genügte auch das Schwingen von eisernen Brandkörben, um eine Nachricht zu übermitteln, oder ein hoch emporflammendes Feuer, ein falo , das ständig durch Werg, Talg und Pech am Brennen gehalten wurde. Vom Florentiner Priorenpalast zum Beispiel konnte man meilenweit ins Land hinausschauen: Sah man zwei Feuersäulen, so hieß dies, daß die Bürgerreiterei in Prato und die Soldaten durch das Domtor ins Val di Marina ausrücken mußten, um sich dem Feind dort entgegenzustellen.
Innerhalb des zweiten Mauerkreises erweckte die Stadt den Eindruck eines Ameisenhaufens, in dem irgendwer planlos und doch zugleich lustvoll herumgestochert hatte: Maultiere mit Säcken voll Brot verstopften die Straßen, sämtliche Backöfen wurden mit den nötigen Brennmaterialvorräten ausgerüstet, Esel mit Weinfässern oder Getreidesäcken schoben sich an den Fußgängern vorbei, die in alle Richtungen umherschwirrten. Und während neben dem Zeughaus im Erdgeschoß des Priorenpalastes die Munitionskammern aufgefüllt wurden, hackte man direkt daneben einem Dieb die Hand ab, weil er einer Frau ihren Beutel weggerissen hatte.
Unter jeder Kutte, unter jedem Wams, jedem vornehmen Gewand konnten sie stecken – jene, die um jeden Preis die Medici zurückwünschten. Wer sie waren, und wie man sie erkennen konnte, wußte man nicht, und kaum einer konnte noch zwischen den verschiedenen Gruppierungen unterscheiden, zwischen Arrabiati, Bigi, Frateschi, Piagnoni und Compagnacci, die es vermutlich alle noch genauso gab wie zu Savonarolas Zeiten, nur daß sie inzwischen selbstverständlich im verborgenen wirkten. Fest stand auf jeden Fall, daß die Stadt ganz und gar unterwandert war.
Manche sagten natürlich, es sei alles nichts weiter als Gerede. Machiavellis Miliz habe alles im Griff. Hatten sie nicht erst drei Jahre zuvor Pisa ausgehungert und in die Knie gezwungen? Und im übrigen seien die Borgia ruhig und die Medici schon lange nicht mehr auffällig.
Aber nicht jeder glaubte den Beschwichtigungen. Manche sagten, es sei wie beim Ausbruch eines Vulkans: Unter der brüchigen Lava höre man bereits das Grollen. Und überhaupt die Vorzeichen! fügten sie dann unheilschwanger hinzu.
Welche Vorzeichen? wollten die Nüchternen wissen.
Bis jetzt gebe es keine, mußten sie zugeben. Aber schließlich habe es immer Vorzeichen gegeben und ganz gewiß seien welche bereits im Anmarsch: so wie damals bei der Arnoüberschwemmung, jener Sintflut als Strafe Gottes wegen der Sodomie, oder vor der Invasion der Franzosen, als in Apulien bei Nacht drei Sonnen am Himmel gestanden hätten, bei Arezzo tagelang bewaffnete Männer unter Trompetenstößen und Trommelwirbeln auf riesigen Pferden durch die Luft geflogen seien und die Heiligenbilder Schweißausbrüche gehabt hätten, oder wie ein andermal die Balken der Carraia-Brücke zusammengebrochen seien und mehr als zweitausend Menschen in den Arno stürzten, so daß hundert ertranken – ob das alles nichts gewesen sei?
Ja, ja, Brunelleschi wurde vom Blitz getroffen, als er die Kuppel des Doms baute, und nichts ist geschehen, spotteten die Nüchternen, und sie hörten gewiß kein Grollen. Sie lachten und sagten: Erinnert euch an die Freudenfeuer vor drei Jahren, die selbst am hellichten Tag abgebrannt wurden, genauso wird es wieder sein. Das Glück des florentinischen Staates ruhe auf seinen kampffähigen Bataillonen, der Friede sei greifbar.
Aber Julius II.
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