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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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gehabt, ihr anzuvertrauen, daß ich einst ihre ›Kindsmagd‹ gewesen war und uns die gleiche Amme gesäugt hatte.
    Daß sich heute, an diesem wilden Tag, dazu eine Gelegenheit geben würde, bezweifelte ich: Brigida stand neben einer älteren Frau, die ihre Hand wie mit einer Greifzange umklammert hielt, als befürchte sie jeden Augenblick, daß man ihr ihren Schützling entreißen könne. Ich hielt mich seitlich von den beiden auf und starrte Brigida an. Noch hatte ich keine Eile, bis zur Vesper war Zeit. Ich starrte auf Brigida, auf ihre blonden Haare, die große Mode waren, wobei ich aber wußte, daß sie die ihren ganz gewiß nicht färbte.
    Das Gedränge glich einem wogenden Meer, dessen Wellen kamen und gingen. Mal war ich Brigida nah und konnte jeden Schweißtropfen sehen, der sich auf ihrer Stirn bildete, mal driftete ich ab und konnte mich nur brutal wieder in ihre Nähe boxen. Ich schaute, ob sie vielleicht ein Tuch trug, das sie in dem Gedränge hätte verlieren können, aber sie trug keines und auch keinen Beutel, den ich ihr wegziehen und anschließend als gefunden zurückgeben hätte können.
    Den Beginn des Rennens verpaßte ich, weil ich mich soeben wieder auf einer sehr entfernten Welle befand und mir für den Bruchteil einer Sekunde die Angst durch den Kopf jagte, daß ich Brigida in diesem Gewimmel nicht wiederfinden würde.
    Und dann geschah das Wunder: Irgendein guter Mensch drückte sie im Bestreben, nach vorne zu kommen, gegen mich. Die Berührung dauerte nur einen Augenblick, aber in diesem Moment sah sie mich an. Unwillig zunächst, dann blinzelte sie gegen die Sonne und lächelte. Ich schaute mich um, weil ich dachte, das Lächeln gelte jemand anderem hinter mir, weil ich grundsätzlich annahm, ein Lächeln könne nur anderen zuteil werden.
    Ich möchte mich bei dir bedanken, sagte sie freundlich und entzog sich dank der nächsten Welle mit einem heftigen Ruck der Hand ihrer Bewacherin, vermutlich ihrer Lehrerin, die schnell in der Menge abgedrängt wurde.
    Bedanken? Du dich bei mir? sagte ich mehr als verblüfft.
    Sie legte ihre Hand auf meinen Arm, während wir in die andere Richtung davontrieben. Erinnerst du dich nicht mehr?
    Ich starrte sie an, als sei sie soeben vom Himmel herabgestiegen. Daran erinnerst du dich? flüsterte ich dann fassungslos und merkte gerade noch rechtzeitig, daß ein Taschendieb sich meiner Börse bemächtigen wollte.
    Sie lachte verhalten. Mein weißes Gewand war voller Farbe, und außerdem hatte ich einen Holzsplitter im Finger, und sehr müde war ich auch. Während sie dies sagte, schob sie mich recht zielgerichtet weiter an den Rand des Gedränges, so daß wir langsam wieder Herr unserer selbst wurden.
    Du erinnerst dich daran? fragte ich, noch immer fassungslos. Weshalb?
    Sie lachte wieder. Nun, weshalb erinnert man sich an eine Sache? Weil sie so wichtig war, daß man sie nie mehr vergißt.
    Ich schluckte und spürte, wie mein Adamsapfel hüpfte, was mich stets störte. Nie mehr? Du meinst das wirklich so?
    Nun ja, sagte sie, zum erstenmal verlegen, man sagt es eben so. Und während sie dies sagte, drängte sie mich noch weiter weg vom Geschehen des Palio, so daß wir schließlich in einer engen Gasse landeten, in der ein Händler warme Krapfen anbot. Ich kaufte zwei Stück, reichte ihr einen und hatte dabei vergessen, daß ich stets versuchte, meine mit Farbe verunstalteten Hände zu verstecken. Natürlich hatte Rocco recht gehabt, und die Haut wuchs ganz offensichtlich nicht so rasch nach, wie ich das gerne gehabt hätte.
    Du arbeitest als Färber, sagte sie mit aller Selbstverständlichkeit und deutete auf meine Hand. Ich habe einen Vetter, der das gleiche macht.
    Ich überlegte einen Augenblick, dann sagte ich einen Satz, den mir der Teufel in den Kopf gegeben haben mußte: Vorübergehend. Nur vorübergehend.
    Du willst also irgendwann etwas anderes machen? fragte sie eifrig, so als sei sicher, daß dieses andere etwas Besseres sei.
    Ich nickte heftig. Mein Adamsapfel mußte inzwischen Springhüpfen machen, so aufgeregt war ich. Ja, das will ich.
    Und was?
    Eine ganze Kavalkade von Gedanken rauschte mir in diesem kurzen Augenblick durch den Kopf. Ich möchte eines Tages Maler werden, sagte ich dann, ohne nachzudenken. Es war das Nächstliegendste, was mir einfiel, aber ich war sicher, daß es Eindruck machte. Und nichts anderes wollte ich in diesem Augenblick meiner Verwirrung.
    Ich sah, wie ihr Gesicht sich vor Bewunderung straffte, genauso wie ich mir

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