Der Brennende Salamander
Krapprot sei, nicht aufhörten, sehnte ich mich nach unseren Kopffüßern im Sand am Arno. Und ich fragte mich, wie Brigida wohl zu Hause empfangen worden war.
Als ich mich nach Mitternacht von den anderen trennte, hatte ich viel über die Herstellung von Matratzen erfahren und wenig über Roccos Malerei, über die er aus irgendwelchen Gründen nicht ausführlich reden wollte. Welche Gründe dies waren, erfuhr ich drei Tage später, als er mich eines Abends in der Färberei abholte, da er eine ganze Woche in Florenz bleiben konnte.
Es ist so, daß ich dich etwas fragen möchte, fing er unbeholfen an, wie ich es nicht von ihm kannte. Und es ist auch nicht ganz einfach zu erklären.
Wir saßen beim Wein, diesmal in einer Schenke schräg gegenüber dem Ospedale. Ich rieb an meinen Fingern, was mir inzwischen zu einer lästigen Angewohnheit geworden war, obwohl ich die Verfärbung damit keinesfalls zum Verschwinden brachte.
Bist du eigentlich glücklich? fragte Rocco dann abrupt, ohne mich dabei anzublicken.
Ich legte erschrocken die Hände in meinen Schoß. Glücklich?
Ja, glücklich, wiederholte er und schaute zu Boden.
Weshalb sollte ich nicht glücklich sein, sagte ich vage und dachte dabei an unsere Kopffüßer am Arno, die inzwischen der Wind verweht hatte.
Ja, warum solltest du nicht, sagte Rocco gereizt. Ich stelle dir eine Frage, und du stellst eine Gegenfrage.
Ich kann mit der Frage nichts anfangen, antwortete ich und legte die Hände so auf den Tisch, daß sie nun jeder sehen konnte, angefangen von der Schankmagd bis zu dem Jungen, der die Tische abwischte. Vielleicht ist man erst dann glücklich, wenn man etwas erreicht hat, sagte ich vage. Vielleicht.
Vielleicht, gab Rocco gereizt zu. Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Was mich anbetrifft, brach es dann plötzlich aus ihm heraus, so mahle ich bis jetzt nur Gips, rühre Leim und zerkrümele Gesteinsbrocken. Ich fege den Boden, hole für meinen Meister eine Kanne Bier oder …
Ich starrte Rocco an. Hast du das nicht gewußt, daß es so ist? Das ist doch mehr oder weniger bei allen Berufen so. Berühmt wird man nicht, bevor man Gips mahlt oder Leim rührt. Du verwechselst die Reihenfolge.
Ach ja, was habe ich plötzlich für einen klugen Kumpan bekommen! spottete Rocco. Bisher war das bei uns doch immer umgekehrt. Ich habe dir die Welt erklärt, wenn sie für dich ungenießbar war.
Weil du es so wolltest, sagte ich spitz, aber nicht ohne Genugtuung. Was eigentlich willst du wirklich von mir wissen? Du kannst nach dieser kurzen Zeit nicht den Meister wechseln, du hast einen Vertrag. Aus dem kannst du so wenig heraus wie ich aus dem meinen. Und wir zahlen Lehrgeld. Vorweg.
Es geht nicht um den Vertrag und das Lehrgeld, erregte sich Rocco, es geht darum, daß ich mit Leuten arbeite, die mir nicht gefallen.
Aha, also keine innocenti, sagte ich lächelnd.
Rocco hob die Schultern und schwieg. Nach einer Pause sagte er: Ich weiß, es ist lächerlich, aber vielleicht stimmt es.
Natürlich stimmt es, wir sind vorzüglich erzogen, sagte ich und deutete hinüber zu den geschnürten Wickelkindern auf dem Fries des Ospedale. Schau sie doch an! Umwickelt von den Füßen bis zum Hals wie Mumien. Das waren wir gewohnt. Wir sind willige Burschen, wir mucken nicht auf. Wir haben von der ersten Stunde unseres Lebens an gelernt, uns zu bescheiden. Was störst du dich also an jenen, die diese Werte nicht mit der Ammenmilch mitbekommen haben?
Du, sagte Rocco plötzlich, fehlst mir. Er murmelte es leise vor sich hin, so daß ich zunächst glaubte, mich verhört zu haben. Du fehlst mir.
Was erwartest du, das ich darauf antworte, sagte ich nach einer langen Weile ebenso leise. Danieles Onkel, wenn er dabeigewesen wäre, hätte sofort die Ohren gespitzt.
Rocco lachte. Du weißt, wie ich es meine. Es ist nur so, daß meine Abende leer sind, verstehst du? Ich liege da in meiner Kammer in Lucca, allein auf einem Strohsack, der klumpt und …
Ich liege ebenfalls in meiner Kammer, allein auf einem Strohsack, der klumpt. Und in der Nebenkammer liegt eine alte Frau, die hustet und röchelt und anschließend schnarcht. Eines Tages, wenn wir alt sind, werden wir ebenfalls röcheln und husten, und andere werden uns schrecklich lästig finden.
Du hast nie geschnarcht, stellte Rocco fest.
Du auch nicht.
Dann lachten wir lauthals.
Und was machen wir jetzt mit unserer Erkenntnis, daß wir beide nicht schnarchen und auf klumpigen Strohsäcken schlafen? fragte
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