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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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sich nicht reden, sagte Rocco kurz und ging zu seiner Staffelei zurück.
    Es läßt sich über alles reden, beharrte Lazzaro. Also bitte, tu's!
    Ich denke, das weißt du alles selber.
    Ich möchte meine Ruhe, sagte Daniele leise. Hört auf! Wer soll denn eine Madonna malen, wenn hinter ihm die Streithähne zanken.
    Auch ich möchte meine Ruhe, stimmte Lazzaro zu, aber jetzt geht es um anderes. Und noch malst du keine Madonnen, sondern rührst Farben und kochst Leim. Und machst Pinsel. Beim nächstenmal hoffentlich die richtigen.
    Rocco nahm seine Palette vom Daumen und legte sie auf den Tisch. Dann höre! sagte er zornig. Vielleicht ist es ja auch gut, wenn du es einmal hörst. Von uns hörst. Ich bekomme zunehmend den Eindruck, daß du dir einbildest, aufgrund deiner Genialität keinerlei Rücksicht mehr auf andere nehmen zu müssen, daß du, je mehr du dich in die Idee verrennst, im Rang kurz unterhalb von Michelangelo zu stehen, glaubst, du brauchst nur zu leben wie die ganz Großen und schon bist du einer von ihnen.
    Daniele seufzte und stellte seinen Farbtopf auf den Tisch, ich legte meinenPinsel ab, da Lazzaros Gesicht inzwischen rot angelaufen war und wir uns alle vor seinem Jähzorn fürchteten. Eine Tatsache, die Rocco allerdings nicht zu bekümmern schien.
    Du hältst es doch bereits für Genialität, wenn dich beim Malen das Schreien der Möwen, das Gekläff der Hunde oder das Läuten der Glocken stört, sagte er dann mit unterdrückter Stimme. Du schlüpfst in die Rolle des hochbegabten Genies, das ein Leben lang darunter leiden muß, daß es die falschen Eltern, die falsche Umgebung, die falschen Lehrer, die falschen Freunde hatte. Nur eines vergißt du dabei: ob du zum Beispiel wirklich ein Leonardo geworden wärst, wenn du all dies gehabt hättest, was du vom Schicksal anmahnst, ob du die Voraussetzungen zu einem grandiosen Höhenflug überhaupt besitzt. Bist du etwa ein Festungsbaumeister, machst Flugexperimente, studierst den Vogelflug, die Entstehung der Fossilien, sezierst Leichen, beschäftigst dich mit den Strömungsgesetzen der Luft, entwirfst Webstühle, und …
    Es reicht, sagte Lazzaro und ballte die Fäuste. Hör auf!
    Das tue ich nicht, sagte Rocco störrisch. Du wolltest es hören, und jetzt wirst du es hören. Ich habe dich in dieses Haus gebracht, ich habe Messer Orelli von dir erzählt und wie gut ich es fände, wenn du dich zumindest für einige Zeit nicht um Essen zu kümmern brauchtest, wenn du ein Dach über dem Kopf hättest und man dir ab und zu ein Geschenk machen würde, damit du in Ruhe malen kannst. Rocco holte Luft, um zum nächsten Schlag auszuholen. Was warst du denn vorher, frage ich dich? Du hast für ein Publikum gearbeitet, das dir keinerlei Risiko abverlangte: Miniaturen für die vornehmen Damen und ähnliches. Wo sind deine Kirchen, deine palazzi , deine Kapellen – hast du früher je Figuren gemalt, die größer waren als eine Hand?
    Das hat er doch, sagte Daniele empört. Wie kannst du so etwas sagen?
    Natürlich hat er das, sagte Rocco verächtlich. Figuren auf Pferdeschabracken, Banner, auf Bettstellen, Truhen und Deckel für Spinette.
    Laß ihn ruhig! sagte Lazzaro und setzte sein verächtliches Lächeln auf, das keiner von uns liebte. Laß ihn nur, dann werde ich auch etwas sagen. Was er mir vorwirft, sind solche Schäbigkeiten, daß es sich eigentlich nicht lohnt, darauf zu antworten. Aber ich will es dennoch tun. Ich weiß nicht, welches Verdienst du für Dinge beanspruchst, die für dich selbstverständlich waren. Weil ihr, die innocenti, bis zu eurem achtzehnten Lebensjahr die Füße unter den Tisch des Ospedale strecken durftet, weil ihr ein Dach über dem Kopf hattet, Kleider, um die ihr nicht betteln mußtet, weil es Ammen gab, die euch fütterten, bis ihr wie die Raupen aus den Nähten geplatzt seid, glaubst du wirklich, daß dies dir das Recht gibt, mir Vorwürfe zu machen? Mit acht bin ich zu einem Steinmetz in die Lehre gesteckt worden, mit zehn wurde ich auf die Straße gesetzt, weil er starb und seine Witwe das Geschäft nicht weiterführen konnte, mit elf …
    Mit elf bist du von einem Landstreicher durch die Stadt geschickt worden, um dich älteren Männern anzudienen. Das wissen wir alle doch längst, besänftigte ihn Daniele. Du hast es uns …
    Ich habe es euch erzählt, ja, aber offenbar genügt dies unserem Malbruder nicht, der sich ganz offensichtlich mit allem abgefunden hat, worunter wir zu leiden haben.
    Und? Worunter hast du so sehr

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