Der Brennende Salamander
damit zwar die Zahl der Staubmäuse verringern, aber anderes ganz gewiß verschlechtern würde, fand ich es besser, diese Tatsache zumindest noch so lange geheimzuhalten, bis wir unsere gemeinsame Arbeit in der Kapelle in Fiesole zu Ende gebracht hatten.
Aber noch bevor es soweit war, sollten Dinge geschehen, die wichtiger waren als der Einzug eines neuen Malerkumpans in unser Atelier.
D AS M ASSAKER
Die Medici kehrten zurück mit Feuer und Schwert.
Die Gerüchte, die bereits seit Wochen durch Florenz schwirrten, wurden von einer Stunde zur anderen Wirklichkeit. Die Entscheidung fiel genau an dem Punkt, an dem die große Welt mit unserer kleinen privaten zusammenprallte: in Prato. Brigida befand sich zu jener Zeit in der belagerten Stadt, fast in Sichtweite von Florenz, und Prato stand kurz vor dem Fall.
Sie war dem Aufruf gefolgt, für die Soldaten einen großen Vorrat an Zwieback zu backen, zumal ihr Bräutigam sie gebeten hatte, sich die Wohnung im Haus seines Bruders, des Biskuitbäckers, anzuschauen.
Zunächst hatte man die Gerüchte nicht ernstgenommen, obwohl klar war, daß Alfonsina, die Frau eines der letzten Medici, schon seit geraumer Zeit beim Papst versuchte, ihre Familie wieder in die Stadt zu bringen, über die sie so lange Zeit regiert hatte. Schon lange zuvor hatten einige Familien wie zum Beispiel die Bigi gefordert, daß Florenz nicht mehr von einem Gonfaloniere geführt werden dürfe, der dieses Amt bis an sein Lebensende innehaben wolle. Es müsse ein Ende haben, daß Korruption nahezu selbstverständlich war und daß selbst die Gerichte bestechlich waren. Und wenn auch der Gonfaloniere Soderini aus einer ehrbaren Familie stammte und versuchte, ein ehrbarer Mann zu sein, so war doch seine Macht begrenzt und bisweilen hatte man den Eindruck, es mit einer Marionette zu tun zu haben. Aber die Fäden wurden nicht nur im Inneren der Stadt gezogen, die Einflüsse von außen waren gefährlicher: Hatte nicht Cesare Borgia eine Delegation Soderinis nach Urbino beordert, um mit ihr über die Situation der Stadt zu diskutieren?
Er hatte nicht gebeten, er hatte befohlen. Und vielleicht war es dieser feine Unterschied, der Soderinis Abordnung, zu der auch Niccolo Machiavelli, der zweite Kanzler und Sekretär des Rats der Zehn gehörte, veranlaßte, dem mächtigen und gefürchteten Cesare die falsche Antwort zu geben. Das alles lag zurück, vergessen war es nicht. Und um die Stadt endlich etwas besser zu sichern, hatte Machiavelli eine Miliz vorgeschlagen, weil sie besser sei als ein Söldnerheer. Da jedoch nicht zu erwarten war, daß die Florentiner Oberschicht bereit sein würde, ihre Söhne für eine solche Miliz zur Verfügung zu stellen, begann man, Bauern zu verpflichten. Und als 1509 bei der Belagerung von Pisa dieses Heer seine erste siegreiche Schlacht geschlagen hatte, war Machiavelli der große Held, dem man huldigte.
Nachdem Papst Julius II. die Franzosen aus dem Land geworfen hatte, so daß Norditalien zunächst vom Joch der Besatzer erlöst war, ließ er die Kriegsmaschinerie keinesfalls wieder einrosten: Noch gab es andere Ziele, die er sich gesteckt hatte. Endlich schien ihm der rechte Zeitpunkt gekommen, die Medici wieder dorthin zu bringen, wo sie seiner Meinung nach immer noch hingehörten: nach Florenz. Die Brunnen sollten endlich wieder Wasser und Wein speien und das Volk Palle ! Palle ! rufen.
An ausführenden Organen fehlte es dem Papst nicht: Der spanische General und Vizekönig von Neapel, Ramon de Cardona, war gerne bereit, dieses Vorhaben auszuführen.
Aber Soderini ließ dem General mitteilen, daß er keinesfalls bereit sei, auf dessen Forderung – die Rückkehr der Medici – einzugehen. Ein Entschluß, der nicht eben von Klugheit geleitet wurde, denn Machiavellis florentinische Miliz konnte dem Ansturm des spanischen Heeres nicht standhalten. Es rückte ohne große Widerstände in Richtung der Hauptstadt der Toskana vor, und bald stand der General der letzten Bastion vor seinem Ziel gegenüber: Prato.
Es gab ein Ultimatum, es gab ein zweites, es folgte die Belagerung, dann begann der Sturm auf den Ort, der dafür nur schlecht gerüstet war.
Aber das alles war nicht vorherzusehen gewesen: Brigida war in der Vorstellung nach Prato gegangen, daß sie nach wenigen Tagen in der Bäckerei wieder im Haus am Arno sein würde.
Und wir erlebten Mona Orelli zum erstenmal seit unserem Hiersein in einer Verfassung, die wir bisher nicht an ihr gekannt hatten: Als sie an diesem
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