Der Brennende Salamander
zu leiden, daß du dir zu gut dafür bist, die Staubmäuse in deiner Ecke wegzukehren, damit wir alle ohne Störung malen können? empörte sich Rocco.
Das will ich euch gerne erklären, sagte Lazzaro hitzig, auch wenn's eine Zeitlang dauert. Dich stört ja offenbar nicht, was sie dir alles aufbürden, wenn du einen Kontrakt unterschreibst, oder? Verträgt sich das mit deiner Würde, wenn man von dir fordert, einen Christus zwei Ellen hoch, ein Altarbild sechs Ellen hoch und drei Ellen breit zu malen, wenn du vorweg zwei Entwürfe anfertigen mußt, einen mit Cherubim und einen ohne, weil Cherubim extra kosten, wenn die Zahl der Hauptfiguren vorgegeben ist und du auch nicht eine einzige hinzufügen darfst, auch wenn du das für unbedingt notwendig hältst? Und wenn diese ganzen Festlegungen so schwierig sind, daß selbst eine Notar manchmal mit seinem Latein am Ende ist? Und das Bußgeld, das du zahlen mußt, wenn du aus irgendwelchen Gründen, ganz gleich ob Krankheit oder Krieg, das Bild nicht zur rechten Zeit fertigstellen kannst, dann mehr als die Hälfte des Preises ausmacht, den du dafür bekommen hättest? Und wenn sie dir auch noch in die Schattierungen einer Farbe hineinreden wollen, ob das Rot wirklich das gleiche ist, wie du es auf dem Entwurf angegeben hast, wäre es dann nicht besser, diesen Beruf in den Arno zu werfen? fragte Lazzaro voller Zorn. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß dir dies alles gefällt.
Es gefällt mir nicht, räumte Rocco ein, aber ich weiß – offenbar im Gegensatz zu dir –, daß ich von der Meisterschaft eines Leonardo noch ziemlich weit entfernt bin. Und ob ich ihr überhaupt je nahekomme, bezweifle ich. Er machte eine Pause. Und im übrigen widmen sich Leute wie Michelangelo und Leonardo ihrer Kunst – nicht überwiegend Frauen.
Was hat das damit zu tun? schrie Lazzaro.
Vielleicht werden sie weniger abgelenkt, sagte Rocco und deutete auf die Kleider, die das letzte von Lazzaros Modellen auf einem Haken an der Wand hatte hängen lassen. Auf jeden Fall bin ich der Meinung, daß dir dieser Zorn nicht zukommt. Ich mag genausowenig wie du den unwürdigen Zustand, daß meine Arbeit mit Salz und Käse bezahlt wird, mit Gewürzen, mit Kornsäcken oder Weinfässern. Ich mag auch keinen zweiten Beruf neben meinem eigentlichen, etwa als Barbier Leuten die Haare schneiden, und für die Venezianer spionieren, wie dies einige von uns Malern tun, damit sie überhaupt leben können, wenn auch nur notdürftig, mag ich schon überhaupt nicht.
Und wie findest du, daß der Papst Michelangelo Schneemänner bauen läßt, um ihn zu demütigen? warf Daniele dazwischen. Und ist eine bottega nicht allemal besser als nicht einmal das Geld für die Hosen zu verdienen wie Verrocchio oder bis über beide Ohren verschuldet zu sein wie Botticelli?
Das interessiert mich nicht, erwiderte Lazzaro. Ich würde keine Schneemänner bauen. Ich bin ein artista , und ich will nichts weiter als meine Arbeit machen, wann, für wen und wie es mir gefällt.
Mach das doch! sagte Rocco und kehrte zu seinem Platz zurück. Male auf Vorrat, mache billige Reproduktionen, geh zurück in deine finstere Bude in dieser noch finstereren Gasse, mach weiter deine seltsamen Talismane für Frauen oder deine Terrakottafiguren für die della Robbias, zehn, gleich groß und gleich bunt angemalt! Und vergiß alles, was man dir je über Tafelmalerei beigebracht hat und was du über Freskenmalerei weißt, und suche weiterhin nach Auftraggebern, die dich zum Hofmaler machen! Ich habe mein erstes Bild für einen Harnischmacher gemalt, und er hat mich ordentlich bezahlt. Ich war mir nicht zu gut dafür. Du warst ein ganz gewöhnlicher Handwerker, dort in deiner Bude, du warst kein Künstler. Aber jetzt gebärdest du dich manchmal, als wolltest du gleich morgen den Platz von Brunelleschi einnehmen und unseren Dom zu Ende bauen.
Zu Ende bauen, daß ich nicht lache, spottete Lazzaro, etwa am Ende der Welt?
Gewiß, vermutlich wird das noch seine Zeit dauern, gab Rocco zu. Aber mir gefällt nicht, daß du immer öfter versuchst, die Großen nachzuahmen: Wenn Leonardo sagt, wie schön es sei, daß Maler in feinen Kleidern arbeiten können, dann ziehst du plötzlich deine Sonntagssachen an, bevor du an die Staffelei gehst. Wenn Dürer von seiner Reise nach Florenz berichtet und von den großen Malern, deren Werke er kennenlernen wollte, dann würdest du am liebsten tags darauf nach Rom gehen und die Sixtinische Kapelle besuchen.
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