Der Brennende Salamander
Und bei allem, was du tust, hoffst du, dich überkomme gleich der Genius. Wir können nicht alle Michelangelos sein. Und wenn du dich nur noch an denen orientierst, die durch unsere Kunst reich geworden sind, Raffael, Tizian, Mantegna, und gar davon träumst, in den Ritterstand oder in den Adelsstand erhoben zu werden – übrigens die billigste Art eines Auftraggebers, sich der Bezahlung zu entziehen –, dann wird es schwierig sein, hier in diesem Haus noch irgend etwas miteinander zu tun.
Lazzaro ging zu seinem Platz und begann, seine Malutensilien zusammenzuräumen. Er tat dies mit ziemlichem Lärmaufwand, so daß wir gezwungen waren, es wahrzunehmen.
Sagt das etwa auch irgendwer, daß man von Zeit zu Zeit seine ganzen Malsachen in eine Kiste packen muß, damit man als Genie wahrgenommen wird? spottete Rocco.
Lazzaro räumte mit verbissenem Gesicht seine Kleider, die an einem Haken hingen, in eine zweite Truhe. Irgendwann begann er dabei zu pfeifen, so schrill, daß sich Daniele angewidert die Ohren zuhielt.
Als er beide Kisten gepackt hatte, setzte er sie auf einen kleinen Rollkarren, den wir benutzten, um unsere Bilder zu transportieren, und sagte: Ihr bekommt ihn zurück, keine Sorge! Ich hoffe, ihr verdächtigt mich nicht gleich, ein Dieb zu sein, sagte er dann grinsend in meine Richtung. Ich meine, wie diesen armen Bräutigam damals, als sich das Pferd losgerissen hatte.
Was soll das heißen? fragte Rocco irritiert. Niemand hat dich wegen ein paar Staubmäusen aufgefordert, das Haus zu verlassen.
Vorhin klang es, als sei es eine Armee von Staubmäusen gewesen, sagte Lazzaro grimmig und ging zur Tür.
Er wird schon heute abend zurücksein, sagte ich und ging wieder an meine Arbeit. Ganz gewiß wird er heute abend wieder an seiner Staffelei stehen. Er hat seine Sachen noch in der Kammer.
Rocco blieb mitten im Raum stehen und starrte uns an. Er wird gewiß nicht zurückkommen, murmelte er dann vor sich hin. Das hier war endgültig.
Und Rocco schien recht zu behalten.
Lazzaro erschien weder am Abend noch am andern Morgen, noch in der kommenden Woche.
Er wird wieder in seiner stinkenden Bude wohnen, sagte Rocco abfällig, als wir eines Abends bei der merenda zusammen saßen, diesmal ohne die Familie Orelli, die bei irgendwelchen Freunden eingeladen war.
Er wohnt nicht in seiner stinkenden Bude, erwiderte ich, er wohnt überhaupt nicht mehr in der Stadt.
Daniele, Rocco und Leonello legten ihre Messer auf den Tisch. Woher weißt du das?
Ich zuckte mit den Achseln. Matteo hat es gesagt.
Und wo soll er sein?
Ich schnitt mit Bedacht ein Stück meines Brotes ab. Matteo sagt, Lazzaro werde Kunsthändler.
Kunsthändler? Daniele verschüttete seinen Wein. Was soll das heißen?
Nun, das soll heißen, daß er jetzt Bilder verkauft. Keine mehr malt. Und daß er offenbar hofft, gut davon leben zu können.
Du meinst, wir könnten ihm dann auch unsere Bilder anvertrauen? sagte Daniele hoffnungsvoll.
Ich schüttelte den Kopf. Nein. Unsere nicht. Unsere sind ihm nicht wertvoll genug.
Rocco stieß seinen Stuhl zurück, ballte die Fäuste und ging zum Fenster. Sag mir, daß es nicht stimmt! flüsterte er dann. Sag mir, daß du es erfunden hast! Es kann ganz einfach nicht wahr sein.
Es ist wahr, gab ich zurück.
Erzähl mir, wo du Matteo getroffen hast, was ihr geredet habt, was er sonst noch erzählt hat!
Du wirst immer sonderlicher, sagte ich kopfschüttelnd. Genügt dir plötzlich nicht einmal mehr das Wort eines Freundes? Ich habe Matteo auf der Piazza della Signoria getroffen, wir haben uns die Hände geschüttelt, Matteo hat sich nach uns und unserer Arbeit erkundigt, dann kam ein Windstoß und hat uns den Staub der Piazza ins Gesicht geweht. Matteo ist seine Mappe mit den Bankunterlagen auf den Boden gefallen, wir haben alles wieder eingesammelt, eine Frau, die auf dem Mercato vecchio einen Gemüsestand hat, hat uns dabei geholfen, dann hat Matteo …
Hör auf! Du machst dich über mich lustig, sagte Rocco zornig. Ich glaube dir ja.
Und weshalb bist du so nervös?
Messer Orelli hat heute morgen gesagt, er will Lazzaros Platz an einen anderen Künstler vergeben, falls sein Weggang endgültig ist, und ihr könnt euch vorstellen, was das bedeutet.
Daniele stöhnte auf. Madonna!
Eben, sagte Rocco.
Wir werden ihm das nicht verbieten können, warf ich ein, ohne zu erwähnen, daß ich bereits von Matteo gehört hatte, wer bei uns einziehen würde. Und weil ich ganz sicher zu sein glaubte, daß sich
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