Der Brennende Salamander
Aber daß ihr ihr, nachdem sie eine Zeitlang nicht mehr malen wollte, jede zweite Nacht beibringt, wie man die prospettiva einsetzt und wie man eine Grundierung macht, das pfeifen die Spatzen von den Dächern. Nun, da ihr Bräutigam tot ist, kann sie alles tun, was sie will.
Halte dich da raus! beschied Rocco kurz. Es ist nicht deine Nachtruhe, die du opferst.
Die Sache mit der verlorenen Liste erfuhren wir kurze Zeit später. Ein junger Mann aus einer vornehmen Familie verlor in der Stadt ein Blatt Papier. Ein Vorübergehender hob es auf und stellte fest, daß es sich um eine Liste von achtzehn Namen handelte, darunter auch die von Niccolo Machiavelli und anderen Adeligen. Die Liste wurde der Signoria übergeben, und daraufhin wurden alle, die aufgeführt waren, verhaftet und wegen ihres angeblichen Vergehens gefoltert. Sie wurden bezichtigt, mit den beiden Hauptverdächtigen Pietro Paolo Boscoli und Agostino Capponi eine Verschwörung gegen die Medici angezettelt zu haben, die soeben erst in die Stadt zurückgekehrt waren. Natürlich interessierten sich alle für die Namen auf der Liste, aber niemand wußte Genaueres.
Weshalb ist Lazzaro eigentlich neulich mitten in der Nacht zu uns gekommen? wollte Vincenzo wissen. Er hätte geradesogut am Tag kommen können, oder etwa nicht?
Laßt Lazzaro aus dem Spiel! wehrte Daniele ab. Er hat doch damit nichts zu tun! Er will Geld machen, sonst nichts.
Woher wollen wir das wissen? Stammen seine Goldflorin alle aus sauberer Quelle? Wieso ist er mit einem Male so reich? fragte Vincenzo, fand aber bei uns mit seinen Verdächtigungen keinen Anklang, zumal wir Vincenzo alle nicht sonderlich mochten.
Ob Lazzaro etwas mit der Liste der Verdächtigen und der ganzen Verschwörung zu tun hatte, ließ sich nie klären. Die beiden Hauptverdächtigen wurden auf jeden Fall später hingerichtet. Machiavelli, dem die neuen Machthaber alle Ämter genommen hatten, wurde nach der Folterung aus der Stadt verwiesen und auf seinen Landsitz verbannt. Da ihm nichts nachgewiesen werden konnte, kam es später zum Freispruch.
Einmal mehr glich die Stadt einem gigantischen Ameisenhaufen, in dem jemand mutwillig herumgestochert hatte. Und Giuliano und seinem Neffen Lorenzo blieb nur die übliche Methode, mit solch einem Ameisenhaufen umzugehen: Sie lenkten das Volk ab und gaben ihm, was man ihm zu allen Zeiten gegeben hatte – sie ließen es feiern.
Und das Volk feierte und feierte und feierte.
Auch wir feierten. Und dabei geschah es zum erstenmal, daß Brigida mich in aller Öffentlichkeit küßte.
Alle Maler waren dazu aufgerufen, an den Festen teilzunehmen und ihre Ideen dazu beizusteuern: Unsere compagnia wollte einen Gauklerwagen bauen. Wir besorgten Holz und Leim und Nägel, um ein Gerüst zu zimmern, das wir auf dem Wagen aufstellen konnten, den wir mit bunten Tüchern und Kissen ausstatteten. Und dann machten wir uns Kostüme und malten uns gegenseitig an.
Daß Brigida dabei im Mittelpunkt stand, dürfte klar sein. Am Abend zuvor stritten wir darüber, wer von uns welche Stelle ihres Gesichts schminken dürfe.
Ich möchte die Stirn anmalen, sagte Daniele, und wir anderen schauten ihn verblüfft an, weil keiner sich vorstellen konnte, was an einer Stirn besonders dazu reizen sollte, sie anzumalen.
Rocco nahm den Mund für sich in Anspruch, wie wir es nicht anders erwartet hatten, und Vincenzo bestand auf den Augen, da er angeblich in der Kunst bewandert war, zu große Augen durch wenige Striche verkleinern zu können. Für mich blieben die Wangen, was ich nicht anders erwartet hatte. Immerhin, schlug Daniele vor, könne ich ja noch Korrekturen an den zu mageren Schultern anbringen, und die Wangen zu gestalten sei ohnedies die höchste Kunst, da sie so geschminkt werden müßten, daß sie nahezu unbeweglich seien, glasiert, wie man dies nannte.
Als Brigida dann ihre Töpfchen, Dosen und Fläschchen herbeigebracht hatte und wir endlich mit unserer Arbeit beginnen konnten, bemerkten wir zu spät, daß es nicht so günstig gewesen war, Daniele die Stirn zu überlassen: Ständig behauptete er, daß ihm die Haare im Weg seien und er sie einmal so und dann wieder anders ordnen müsse, um ihre Kürze zu vertuschen, wobei sich der gekaufte Zopf mit seinen durchwobenen Goldfäden eher hinderlich denn nützlich erweise.
Schließlich mahnte Rocco und sagte, wenn wir in diesem Tempo weitermachten, sei das Fest vorüber. Und jetzt sei der Mund dran, und der sei am wichtigsten.
Weshalb? wollte
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