Der Brennende Salamander
ich der gleichen Meinung sei wie sie. Aber ich hatte den Eindruck, daß sie mich durchschaute. Während ich wollte, daß immer Sonne zwischen uns war, alles hell, nichts Schwarzes, Dunkles, ließ sie das Dunkle zu. Und hin und wieder hatte ich das Gefühl, daß sie in mancher Beziehung älter war als ich. Vielleicht hatte auch nur sie gespürt, daß die Zeit der Margeritenkränze vorbei war, und ich hatte es in meiner Naivität übersehen.
An unserem Gauklertag also, an dem wir lachend bis spät in die Nacht durch die hell erleuchteten Straßen tobten, schien es mir, als könne es in Zukunft nur noch solche Tage geben, als dürfe es nur sie geben. Und als seien jene wie der, als wir in diesem unterirdischen Gang in Prato um unser Leben gebangt hatten, für immer – wie mit unseren Malpinseln – gelöscht.
Und wenn ich an die Zukunft dachte – immer nur an eine Zukunft, die uns beide betraf –, war ich der Meinung, daß das Maß an Schrecken und Grausamkeit für immer und alle Zeiten abgegolten war und die Götter uns nun wohlgesinnt sein müßten. Ob Brigida eine ernsthafte Malerin werden und Anerkennung finden würde, oder ob sie irgendwann nur Bilder für ihre Enkelkinder malen und voller Wehmut von der Zeit berichten würde, in der sie gehofft hatte, aus dem Joch der Frauen auszubrechen, war natürlich ungewiß. Aber unabhängig davon war ich von der Gewißheit erfüllt, daß es nichts geben würde, was uns beide trennen konnte.
Später, als unser aller Wege in Richtungen liefen, die wir uns nicht hatten vorstellen können, dachte ich, daß es richtig gewesen war, jenen Tag in aller Übermütigkeit und Ausgelassenheit zu feiern. Und zu hoffen, daß es in Zukunft nur noch solche Tage geben würde.
T EIL V IER
N ARDO
Nardo ist zurück!
Brigida stürmte bereits am frühen Morgen in unser Atelier und hielt uns einen Brief entgegen.
Vincenzo, der soeben minutenlang sein Modell auf einer abgebrochenen Säule in Pose gesetzt hatte, erschrak, so daß der kunstvoll drapierte Umhang des Modells zu Boden rutschte, worauf Vincenzo einen wilden sizilianischen Fluch ausstieß.
Entschuldigt! sagte Brigida mit dem schwachen Versuch, ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern. Entschuldigt wirklich! Ich dachte nur, es interessiert euch.
Ein Gedanke, der bei uns allen nur Verwunderung auslöste. Mit Nardo Cattaneo hatte über all die Jahre hinweg kaum einer von uns zu tun gehabt. Persönlich gesehen hatten ihn ohnehin nur Rocco und Lazzaro, und es gab Wichtigeres, als sich über die Eskapaden eines Mannes aufzuregen, der ein Leben führte, wie keiner von uns es sich je würde leisten können. Der Mann ohne Beruf, pflegte Brigidas Mutter meist höhnisch zu sagen, wenn von ihm die Rede war. Der Mann, der von seinen Zinsen lebt. Der Mann, den Gott und die Welt nicht interessieren. Der Mann, der es sich leisten kann, alle Menschen zu verachten, die nicht mindestens ein dorisches Kapitell von einem ionischen oder korinthischen unterscheiden können.
Er schaut nur auf uns herab, weil es ein Bild von ihm zusammen mit Lorenzo il Magnifico gibt, nur deswegen, sagte Vincenzo. Dabei ist nicht einmal sicher, ob er es überhaupt ist, der dort dargestellt ist. Der letzte Satz bezog sich auf ein Bild, das Lorenzo inmitten seiner gelehrten Freunde zeigte, die wie die zwölf Jünger um ihn herumsaßen. Einer davon hätte Nardo sein können, aber vom Alter her war es eher unwahrscheinlich.
Wir wollen ihm zu Ehren ein Fest geben, sagte Brigida, von unserer geringen Begeisterung etwas gedämpft. Gleich heute abend.
Und er hat zugesagt? wollte Rocco wissen.
Bis jetzt noch nicht, sagte Brigida ausweichend, ich werde ihm die Einladung erst überbringen.
Etwa schriftlich? spottete Vincenzo, der inzwischen den Umhang erneut in Falten gelegt hatte.
Nein, natürlich nicht, sagte Brigida rasch. Ich bin auf dem Weg zu seinem Turm.
Kommt man da überhaupt hinein, wenn man nicht angemeldet ist? fragte Daniele.
Ich hoffe es, sagte Brigida steif und wandte sich zum Gehen.
Da keiner von uns je in diesen Turm gewesen war, wußten wir nur das, was man vom Hörensagen kannte: Der Turm war nur vom Fluß aus, aber auch da nur schwer zu erreichen, da man zunächst vor einer verschlossenen Mauerpforte stand, wenn man mit dem Boot anlegte. Falls diese Pforte offen war, mußte man erst über eine schmale Zugbrücke gehen, bevor man zu einer Haustür kam, einer Tür, die drei Meter über dem Boden lag und keinen Türklopfer hatte. Früher hatte der
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