Der Brennende Salamander
Turm einmal zu einer Befestigungsanlage gehört. Es gab über die ganze Höhe verteilt schmale Schießscharten, in denen jetzt allerdings Tauben nisteten, so daß kaum mehr Licht in das Innere des Turms fallen konnte. Das Obergeschoß gab allerdings einen wunderbaren Blick über die Hügel von Florenz frei.
Nardo hatte das Gebäude so gelassen, wie es früher war, auch wenn es nun vermutlich ein Haus mit sehr wenig Licht war. Es ist so verrückt wie der Mann, der angeblich von der Luft lebt, pflegte Brigidas Mutter abfällig zu sagen, vermutlich noch verrückter. Jeder normale Mensch hätte diesen Turm längst umbauen lassen, hätte ihn auf seine Bedürfnisse zugeschnitten, unten eine bottega eingebaut und die Zugbrücke durch eine Treppe ersetzen lassen. Aber dieser Mensch hat ja wohl keine Bedürfnisse, und im übrigen ist er ohnehin die meiste Zeit des Jahres unterwegs.
Was auch diesmal zutraf: Nardo war soeben aus China zurückgekehrt.
Um drei Bahnen drappo tartaro einzukaufen, vermutlich für seine Mutter, höhnte Vincenzo. Man sollte so jemanden, der derart unnütz auf der Welt ist, auf den Mond verbannen und nicht nur nach Venedig.
Wir hörten den ganzen Vormittag über nichts mehr von der Einladung, und es waren auch keinerlei Geräusche zu vernehmen, die auf Festvorbereitungen für diesen Abend schließen ließen.
Habt ihr im Ernst geglaubt, dieser Mann läßt sich in ein Haus einladen, das derzeit von einer geldgierigen Alten und Mutter zweier Söhne regiert wird, die ihr Geld mit Menschenhandel und Wucher verdienen? Ein Mann, der das Geld haßt wie die Pest? fragte Rocco, als wir um die Mittagszeit am Fluß zusammensaßen und Fische brieten.
Wozu sollte er auch in dieses Haus kommen? meinte Vincenzo und schob seinem Modell einen Happen in den Mund. In ein Haus, in dem lediglich die Tochter fähig ist, ein vernünftiges Gespräch zu führen, während er nur die Kanzonen von Petrarca im Kopf hat und die Schriften eines Aristoteles und Platon?
Fest stand, Brigidas Mutter würde bis zum Abend wohl kaum passende Gesprächspartner für Nardo auftreiben können. Die Geschäftsfreunde ihres Mannes, weitgehend Männer aus dem Seidengewerbe, würden gewiß wenig Lust auf ein Treffen mit einem Mann haben, von dem man wußte, daß seine Familie zum Freundeskreis Lorenzos gehört hatte, eine Familie, in der die Kinder nicht Nachtgebete, sondern die Gedichte des ›Prächtigen‹ auswendig lernten.
Am späten Nachmittag kam Sadona zu uns ins Atelier und teilte uns mit, daß es leider kein Fest geben könne, da Messer Cattaneo verhindert sei. Dann griff sie in ihren Korb und überreichte mir einen Brief. Der ist für dich.
Für mich? fragte ich mehr als verblüfft. Von Messer Cattaneo?
Die anderen kamen zu mir herüber. Vincenzo nahm mir den Brief aus der Hand und drehte ihn um, dann lachte er. Das Fest findet nicht statt, aber du bekommst einen Brief von ihm. Komm, mach ihn auf! Er wird ja wohl kaum vergiftet sein, drängte er dann, nachdem ich den Brief wieder an mich genommen hatte und unschlüssig in der Hand hielt.
Ja, mach ihn auf! sagte Daniele erregt.Wir wollen sehen, was drin steht.
Ich setzte mich auf einen Schemel, wollte mit meinem Messer behutsam das Siegel lösen, aber Vincenzo nahm ihn mir unsanft aus der Hand. So brauchst du zwei Jahre dazu. Er riß den Bogen auseinander, entfaltete ungeduldig das Blatt, strich es glatt und schüttelte ungläubig den Kopf. Das kann ja wohl kaum sein, murmelte er dann kopfschüttelnd.
Was denn? Was ist? wollte Daniele wissen und stellte sich auf die Zehenspitzen.
Rocco entwand Vinzenzo den Brief, schaute kurz hinein, gab ihn mir und pfiff. Du bist eingeladen. Heute abend. Das ist es also, weshalb Messer Cattaneo verhindert ist.
Man könnte meinen, du seist eine Frau, sagte Daniele amüsiert, als ich am späten Nachmittag vor meinerTruhe stand und Stück um Stück meiner kargen Garderobe hochhielt und dann wieder zurücklegte.
Ich habe nichts zum Anziehen, sagte ich ratlos und fühlte mich dabei wirklich wie eine Frau. Ich habe mir kaum Kleidung gekauft, seit ich das Ospedale verlassen habe.
Daniele nahm meine Sachen wieder aus der Truhe, breitete sie geduldig auf dem Bett aus, hielt Beinkleider an mich, dann ein Kamisol, verwarf schließlich alles wieder und verschwand. Er ließ mich vor dem Spiegel zurück, der mir ein rasiertes Gesicht zeigte, allerdings mit zwei blutigen Blessuren, die ich mir in meiner Nervosität auf diese seltsame Einladung hin
Weitere Kostenlose Bücher