Der Brenner und der liebe Gott
nicht auf die Nase gebunden, und jetzt war er froh darüber. Weil sonst hätte der Reinhard bestimmt nie gesagt, er ist so ein guter Fahrer, und falls er einmal aus irgendeinem Grund beim Kressdorf aufhören sollte, kann er sich jederzeit bei ihm melden.
Damals hat der Brenner das nicht ernst genommen, weil erstens hat er sowieso nicht die Absicht gehabt, die Helena gegen einen Reinhard einzutauschen, und zweitens hat ihm die Lebenserfahrung gesagt, dass ein Typ wie der Bankdirektor Reinhard sich zwar gern einmal von seiner Sonntagsseite zeigt, aber wenn es dann darauf ankommt, sagt dir seine Sekretärin: Wir rufen Sie zurück.
Was soll ich sagen, genau so war es. Der Brenner ist mit der angeblichen Privatnummer vom Reinhard nur bis zur Sekretärin vorgedrungen, und natürlich, der Herr Direktor ist nicht da, und falls der Herr Direktor wirklich einen Fahrer brauchen sollte, rufen wir Sie zurück. Für dieses kurze Gespräch hätte sich der Brenner nicht extra in den Regen hinausstellen müssen, aber er wollte eben nicht neben dem telefonierenden Knoll telefonieren, und aus dem überdachten Eingang, der ihm zuerst als gutes Telefonhäuschen erschienen ist, hat ihn das laute Entlüftungsgerät hinausgetrieben.
Ich muss ganz ehrlich sagen, keiner, der den Brenner da im Regen stehen gesehen hat, dürfte ihm seine detektivische Vergangenheit angesehen haben. Oder gar geahnt haben, wie er in der nächsten Woche die Stadt aufmischen wird. Und siehst du, genau für diese Sachen bewundere ich den Brenner. Weil er hat nach dem scheißfreundlichen »Wir rufen Sie zurück« nicht aufgegeben, sondern auch noch im Hotel Imperial angerufen und den Bankdirektor Reinhard verlangt.
Du musst wissen, der Fahrer vom Reinhard hat ihm beim Warten in Kitzbühel einmal erzählt, dass der Reinhard eine Dauersuite im Imperial hat, wo er sich gern in der Mittagszeit ein bisschen ausgestreckt hat. Weil anstrengender Sechzehnstundentag, und glaubst du, der kann da immer nach Klosterneuburg hinausfahren, wenn er nach dem Geschäftsessen müde wird oder einfach zwischendurch ein bisschen entspannen möchte. Dafür hat er eben das Hotelzimmer gehabt. Aber der Reinhard hat nie Hotelzimmer oder Suite gesagt, sondern pass auf: Refugium. Und er hat immer gesagt, dass der Churchill immer gesagt hat: »Mit einem Mittagsschlaf mache ich aus einem Tag zwei.«
An diesem Tag dürfte der Direktor Reinhard aber nicht Zeit gehabt haben für zwei Tage, weil der Brenner hat ihn auch im Refugium nicht erreicht und ist wieder in das Wettcafe hinein.
»Immer diese Telefoniererei«, hat der Knoll entschuldigend gesagt. Weil dem dürfte gar nicht aufgefallen sein, dass der Brenner inzwischen auch telefoniert hat. »Und? Haben Sie es sich überlegt?«
»Was?«
»Fangen Sie an bei mir?«
»Da würde die Frau Doktor schön schauen«, hat der Brenner hilflos gesagt und der Kellnerin gedeutet, dass er zahlen will.
»Aus jetzt!«, hat der Knoll ärgerlich gerufen und sein Handy mitten im Klingeln abgedreht. »Sie müssen entschuldigen«, hat er geseufzt. »Aber Sie können sich gar nicht vorstellen, in was für einem Aufruhr meine Leute sind. Die werden auf offener Straße als Entführer und Mörder beschimpft.«
»Dann sehen sie wenigstens einmal, wie das ist.«
Das hat der Brenner sich einfach nicht verbeißen können. Aber der Knoll hat es weggesteckt wie nichts. »Als Expolizist wissen Sie ja, was man sich bei einem Verbrechen als Erstes fragen muss. Wem nützt es?«
»Ich frag mich, woher Sie wissen, dass ich einmal bei der Polizei war.«
Weil so geht es. Zuerst ist sich der Brenner schon fast sicher gewesen, dass der Knoll nicht hinter der Entführung steckt. Und erst dieser Versuch, den Verdacht zu zerstreuen, hat den Brenner wieder misstrauisch gemacht.
Der Knoll hat ihn aber nur mitleidig angeschaut. »Dass ich etwas über Ihre Vergangenheit weiß, wundert Sie, aber dass ich einfach ein Kind entführe, würden Sie mir zutrauen?«
»Sie haben der Frau Doktor damit gedroht, dass Sie ihr das Kind wegnehmen.«
Der Knoll hat kurz gezögert, dann ist wieder dieses verführerische Lächeln aus dem tiefsten Knoll aufgestiegen und hat ganz knapp, bevor es die Lippen erreicht hätte, aufgehört. »Eine Drohung, die man ohne Zeugen ausgesprochen hat, kann man leicht abstreiten. Aber ich will ehrlich zu Ihnen sein. Ich glaube, dass Sie ein guter Mensch sind. Es ist mir wirklich im Zorn passiert, dass ich etwas zur Frau Doktor Kressdorf
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