Der Brenner und der liebe Gott
Superklinik im
Riesenland
wird sie den Umsatz verdreifachen müssen, damit sie die Kosten hereinspielt. Aber ich will Sie nicht mit unserem Fanatismus behelligen.«
»Fanatismus« hat der Knoll so ausgesprochen, als hätte er eine verdorbene Buchstabensuppe gefrühstückt, in der nur Anführungszeichen drinnen waren, die ihm in diesem Moment hochgekommen sind. »Oder soll ich einen alten Ackergaul wie Sie noch vom Wunder des entstehenden Lebens überzeugen?«
»Ich hab mir sogar einmal die Broschüren angeschaut, die Ihre Leute vor der Klinik verteilen. Die Natur ist schon ein Schauspiel.«
»Ein Schauspiel!«, hat der Knoll verächtlich wiederholt. Der Brenner hat extra »Schauspiel« gesagt, um den Knoll zu ärgern. »Wunder« wäre ihm sonst auch recht gewesen, weil wie ihm damals die Broschüre in die Hände gekommen ist, hat er sich auch gedacht: Hut ab vor der Natur. Neu war es ihm natürlich nicht, was in den neun Monaten alles hinter den Kulissen passiert, aber doch schon eine Weile her, seit er sich in Puntigam mit diesem Thema beschäftigt hat, und damals natürlich nur an der Zeugung interessiert, bestenfalls noch an der Verhinderung vom neuen Leben.
»Die Natur kann man erst richtig schätzen, wenn man in einem gewissen Alter ist«, hat der Brenner formuliert, quasi Kompromiss. »Aber es stimmt schon, eure fanatischen Ansichten sind nichts für mich. Ich hab bei der Polizei zu viele ausgewachsene Tote gesehen, da kann man sich nicht auch noch um die Zellhaufen kümmern.«
»Und wann beginnt für Sie das Leben, wenn ich fragen darf?«
Der Brenner wollte das Gespräch langsam in eine andere Richtung bringen, aber er hat dem Knoll doch noch schnell eine Antwort gegeben. »Wo ich herkomme, in Puntigam -«
»Aus Puntigam sind Sie? Wo das Bier herkommt?« Siehst du, da hat der Knoll jetzt wirklich gelächelt, so hat er sich gefreut, dass er einmal wen aus Puntigam kennenlernt.
»Genau. Da hat man einem Kind gesagt, wenn von früheren Zeiten die Rede war, wo es noch nicht gelebt hat: Damals bist du noch mit den Mücken geflogen.«
»Das kenne ich auch. Da bist du noch mit den Mücken geflogen. Das haben wir als Kinder auch so gesagt.«
»Mir reicht das als Erklärung«, hat der Brenner gesagt. »Dass man vorher mit den Mücken geflogen ist, und nachher fliegt man vielleicht auch wieder mit den Mücken. Ich finde das eine gute Lösung. Schon allein aus Platzgründen. Darum verstehe ich nicht, dass man die kurze Zwischenlandung für Streitereien über das Leben verschwendet. Wenn man bedenkt, wie kurz die Zeit ist im Vergleich zur Mückenzeit.«
»Das haben Sie sich ja bequem zurechtgelegt. Und sonst interessiert Sie nichts am Leben?«
»Mich interessiert, was Sie eigentlich von mir wollen.« »Ich möchte, dass Sie für mich das Mädchen finden.«
Die Zocker sind unruhig geworden, und auch der Brenner hat seinen Blick nicht von den Bildschirmen abwenden können, wie die Meldung gekommen ist, dass sich einer der beiden Hunde, dessen Sturz immer wieder gezeigt worden ist, das Genick gebrochen hat. Und dadurch hat er im ersten Moment geglaubt, der Knoll redet von der Helena, bis er das Foto bemerkt hat, das der Knoll auf den Tisch gelegt hat.
»Wie alt schätzen Sie das Mädchen?«
»Keine Ahnung«, hat der Brenner gesagt und das Foto mit einem kurzen Blick gestreift. »Sechzehn? Fünfzehn?«
Es war kein besonders gutes Foto. Ein Mädchen mit langen, dunklen Haaren, im Gehen aus einem komischen Winkel fotografiert, wie die reinste Schauspielerin, die von den Paparazzi gejagt wird. Und erst auf den zweiten Blick hat der Brenner die Umgebung erkannt, weil das Foto ist direkt vor dem Eingang der Abtreibungsklinik gemacht worden.
»Zwölf.«
»Ja Wahnsinn, die Südländerinnen sehen oft in diesem Alter schon richtig erwachsen aus. Ein hübsches Mädchen«, hat der Brenner so gleichgültig gesagt, als hätte der Knoll ihm das Foto seiner Lieblingsnichte gezeigt.
»Zwölf«, hat der Knoll dafür um so düsterer wiederholt. »Auf dem Weg in die Abtreibungsklinik.«
»Ist das verboten?«
»Das nicht.« Der Knoll ist dem Brenner jetzt wie das reinste Orakel vorgekommen, das alles zweimal sagt, zuerst normal und dann noch einmal mit besonders düsterer Betonung, hör zu: »Das nicht. Für die Ungeborenen gibt es ja keinen Schutz in unserer Gesellschaft.«
Er hat dem Brenner das Foto aufgedrängt und ihm zehntausend Euro geboten, wenn er das Mädchen, dessen Namen er
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