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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Knoll dann schon wieder abgebogen ist. Das hat dem Brenner überhaupt nicht gefallen. Dass der Knoll die Privatstraße hinauf ist, die der Brenner so gut gekannt hat.
     
    Jetzt hat es für den Brenner natürlich nur noch eines gegeben. Er hat den Abschneider über den Forstweg nehmen müssen. Mit dem Jeep vom Kressdorf hat er den Forstweg schon einmal genommen, wie die Zufahrtsstraße wegen der Mure gesperrt war, weil da ist nach zwei Wochen Dauerregen eine solche Mure abgegangen, dass es sogar im Fernsehen gekommen ist, und die ewigen Optimisten gleich hoffnungsvoll: Endlich hat der Herrgott ein Einsehen und putzt Kitzbühel weg. Für den Jeep damals war der Forstweg kein Problem, aber dass der Mondeo die Fahrt ohne Achsbruch überstanden hat, grenzt an ein Wunder. Und der Brenner hat sich sogar eingebildet, dass der Schutzengel von der Helena der Mondeo-Achse geholfen hat, weil sonst unerklärlich. Du musst wissen, der Brenner ist gefahren auf Teufel komm raus. Und wie er endlich beim Berggasthof Hegl oben herauskommt, sieht er gerade noch, wie hundert Meter unter ihm der Knoll vor der Kressdorf- Alm parkt.
     
    Und ob du es glaubst oder nicht. Der Knoll hat an die Tür geklopft. Und der Mann, der vierundfünfzig Stunden nach dem Verschwinden des Mädchens herausgekommen ist und ihn freundlich begrüßt hat, war der Kressdorf.
     

13
     
    Im Nachhinein hat es geheißen, ja warum hat denn der Brenner nicht? Weil im Nachhinein immer einfach. Aber das hab ich schon gern, wenn die gescheiten Leute dann kommen und ausgerechnet den kritisieren, ohne den das Ganze überhaupt nie aufgekommen wäre!
    Und außerdem, was hätte er denn tun sollen? Die Polizei rufen, damit er gleich wieder verhaftet wird? Oder auf eigene Faust an die Hüttentür klopfen und sagen: Das Spiel ist aus? Oder auf das Dach klettern und wie der reinste Weihnachtsmann durch den Kamin die Hütte stürmen und die Helena befreien?
    Also da könnte ich wirklich die Leute teilweise. Und er hat auf dem Parkplatz beim Berggasthof Hegl den reinsten Logenplatz gehabt. Die Kressdorf-Alm hat in der Sonne geleuchtet, van Gogh nichts dagegen. Nur die Sicht auf die beiden Autos war ihm durch die Almhütte abgeschnitten. Da hat ihm die schönste Sonne nichts genützt. Aber rund um die Almhütte hat sich sowieso nichts gerührt. Es ist niemand gekommen und niemand gegangen. Da ist es kein Wunder, dass der Brenner mit der Zeit mehr die Eindrücke wahrgenommen hat, die rund um seinen eigenen Standort auf ihn eingeströmt sind. Sprich die herrlichen Gerüche aus dem Berggasthaus. Daran denkt auch keiner, dass der Brenner den ganzen Tag noch nichts gegessen hat. Das soll man als Detektiv alles aushalten, und im Nachhinein heißt es: Warum hat er nicht? Ja was hätte er denn sollen?
    Er hat sich dann schnell etwas im Gasthaus geholt, und bevor sich jetzt jemand aufregt: In diesen fünf Minuten ist gar nichts passiert. Und während er im Mondeo sein Speckbrot gegessen hat, ist auch nichts passiert. Und dann ist auch noch eine Stunde lang nichts passiert. Und noch eine Stunde ist nichts passiert. Das Gasthaus hat zugesperrt, und der Wirt ist weggefahren. Die Sonne hat sich schon langsam den Bergspitzen genähert, die Alm hat einen immer unguteren Schatten geworfen, und der Brenner hat langsam Angst gekriegt, dass er hier übernachten muss.
    Aber interessant ist das schon. Was so ein Blick in die Ferne mit einem macht. Das wirkt sich einfach auf das Gedankliche aus. Ein Mönch oder ein Einsiedler macht so etwas jahrelang, und da kannst du dir vorstellen, was der alles erlebt, wenn beim Brenner schon ein paar Stunden genügen, dass auf einmal wie nach einem langen, harten Gedankenwinter diese Frage ausapert: Wieso hat eigent1ich die Frau Doktor die Handynummer vom Obersenatsrat Stachl gehabt. Und da sieht man wieder einmal, wie ungerecht das Unbewusste sein kann. Weil das Misstrauen, das sich bei ihm festgebissen hat, seit er gesehen hat, wie freundlich der Kressdorf den Knoll begrüßt hat, ist jetzt auf einmal gegen seine Frau gegangen, und warum hat die überhaupt die Handynummer vom Obersenatsrat gehabt.
    Du wirst sagen, mein Gott, Geschäftsfreund, Freund des Hauses, da kann auch einmal die Frau die Handynummer haben, oder vielleicht hat ihr Mann ihr die Nummer einmal für Notfälle gegeben, vielleicht hat sie in ihrer Sorge im Büro vom Obersenatsrat angerufen und die Nummer gekriegt. Siehst du, da bist du genau wie der Brenner! Der hat sich das jetzt zu seiner

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