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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Kleidungsstück oder einem Kamm zupfen, auch wenn du das entführte Kind gar nicht hast. Besonders wenn du der Mann von der Tagesmutter bist. Und wie der am selben Tag, wo sie ihm die Arbeitslose gekürzt haben, in der Zeitung gelesen hat, dass die Entführer sich nicht melden, hat er einfach ein Haar aus dem vergessenen Helena-Pullover gezupft.
     
    Das hat der Brenner jetzt gerade noch gehört, wie er den Sender endlich wieder hereingekriegt hat. Er hätte fast in das Lenkrad gebissen, wie er kapiert hat, dass die Helena zweiundfünfzig Stunden nach ihrem Verschwinden immer noch nicht gefunden, aber dafür der sympathische Mann der Tagesmutter tot war, weil nervöse Scharfschützen. Stell dir vor, mit dem hat der Brenner erst vor ein paar Tagen eine geraucht, vor dem Haus, weil in der Wohnung natürlich strengstes Rauchverbot, frage nicht.
     
    Aber ich muss sagen, für einen reinen Trittbrettfahrer hat der gar nicht die blödeste Übergabeidee gehabt. Pass auf, die von seiner Frau betreuten Kinder hätten gemeinsam einen Ausflug machen sollen mit den kleinen Rucksäcken vom Weltspartag, und in einem der Rucksäckchen wäre das Geld gewesen, sprich unterwegs Austausch Geldrucksäckchen gegen die Helena. Das war seine Forderung, offiziell, aber in Wirklichkeit hat er schon daheim, von wo die Gruppe aufgebrochen ist, in aller Stille das Geld aus dem Geldrucksack an sich genommen. Erwischt haben sie ihn natürlich trotzdem, und er hätte auf keinen Fall davonrennen dürfen, weil altes Sprichwort: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut entführt.
     
    Oder besser gesagt, von gut erpresst, weil entführt hat er ja niemanden. Aber ich sage, erschießen hätten sie ihn nicht gleich müssen, obwohl ich schon verstehen kann, dass die Polizei nervös ist, wenn so viele Kinder im Spiel sind. Viele Kinder machen jeden Menschen nervös, sogar ohne Entführung. Der Brenner hat sich ein bisschen mitschuldig gefühlt, weil er es war, der den Pullover vor ein paar Wochen bei der Tagesmutter vergessen hat. Und eigentlich nicht vergessen, sondern absichtlich dagelassen, weil er ihm nicht gefallen hat. Aber vielleicht hat er sich nur so mit dieser Mitschuld beschäftigt, um die Enttäuschung zu übertünchen, dass die Helena noch immer verschwunden war.
     
    Der Sprecher hat weitere Informationen und ein Interview mit dem Einsatzleiter angekündigt, und der Brenner hat sich wahnsinnig geärgert, dass er jetzt, zehn Kilometer nach dem Walserberg, endgültig den österreichischen Sender verloren hat. Dafür hat der Knoll ihn auf einmal aus dem Nichts überholt, und der Mondeo hat auf der Autobahn fast zu hüpfen angefangen, damit der Brenner halbwegs mit dem schwarzen Volvo mitgekommen ist. Er hat sich gefragt, ob der Knoll die Radiosendung auch gehört hat, und er hat sich gefragt, wohin der Knoll will, wieso der Richtung Innsbruck fahrt, und er hat gehofft, dass die weiteren Radioberichte erst kommen, wenn sie wieder aus dem deutschen Eck heraußen sind, und er hat gebetet, dass er den Volvo nicht verliert.
     
    Bei Wörgl ist der Knoll von der Autobahn abgefahren, und da könnte man viel über das menschliche Gehirn lernen, wenn man das einmal analysieren würde, wie der Brenner hier versagt hat. Ich sage, er hat es einfach nicht wahrhaben wollen, wohin der Knoll fahrt. Aber er hat jetzt sehr lehrbuchmäßig agiert, und Lehrbuch immer ein schlechtes Zeichen. Er hat sich gesagt, Bundesstraße, da bleib ich lieber hinter ihm, weil über Land verfolgt man besser nicht von vorn. Siehst du, solche Dinge hat er überlegt. Dann hat er wieder am Radio herumgeschraubt, ob nicht doch irgendwo noch eine Meldung kommt. Dabei hätte er sich sagen müssen, das interessiert mich nicht mehr, es war ja nur ein Trittbrettfahrer, das bringt null für die Helena, das hake ich ab. Aber so ist der Mensch. Immer hinten nach. Dann hat er wieder über den vergessenen grünen Pullover mit der aufgedruckten Ente nachgedacht, furchtbar! Und dass ihm vorgekommen ist, die Helena mag die Ente auch nicht. Alles nur, damit er es nicht kapieren muss.
     
    Erst wie der Knoll fünf Kilometer vor Kitzbühel eingebogen ist, hat der Brenner einen Stress gekriegt. Und damit meine ich nicht den Stress, der sich daraus ergeben hat, dass er hinter einem Lastwagen an der roten Ampel gestanden ist, während der Volvo sich entfernt hat. Ich meine nicht das lebensgefährliche Lastwagenüberholen und Nachhetzen. Weil er hat den Volvo gleich wieder im Visier gehabt. Aber dass der

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