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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Frau Doktor hat sich heute an mich gewandt«, hat der Brenner gesagt, »obwohl sie das nicht sollte, wenn es nach der Polizei geht.«
     
    Während er das erzählt hat, ist ihre Errötung wieder verschwunden, aber nur aus dem Gesicht. Weil am Hals sind die roten Stellen umso dunkler geworden. Für den Brenner hat das ausgesehen, als würde die Wahrheit, die der Natalie nicht über die Lippen kommt, beim Hals einen Notausgang suchen.
    »Sie hat stundenlang mit mir geredet«, hat er der Natalie keine Ruhe gelassen, »aber ich hab gespürt, dass sie mir in letzter Sekunde das Geheimnis doch nicht anvertraut hat, wegen dem sie eigentlich zu mir gekommen ist.«
     
    Die roten Flammen sind jetzt wieder von den Schlüsselbeinen hinaufgewachsen bis zu den Kieferknochen, als würde der tapfer schweigenden Natalie ihr Körper zu Hilfe eilen und die Wahrheit in Flammenschrift auf ihren Hals schreiben, damit sie es nicht aussprechen muss. Aber ich sage immer, geschrieben ist eine Flammenschrift schnell, aber du musst sie erst einmal richtig lesen können. Und unter uns gesagt, der Brenner war kein großes Sprachentalent. Dem hat man es in Flammenschrift hinschreiben können, aber er hat es nicht verstanden. Wenigstens hat er so lange draufgestarrt, bis die Natalie es ihm doch noch freiwillig ausgedeutscht hat. Weil was heißt Flammenschrift. Blutschrift müsste man sagen, schließlich war es das Blut, das sich auf ihrem Hals so in den Vordergrund gedrängt hat, und um Blut ist es eben in der Geschichte gegangen, mit der sie endlich herausgerückt ist. Aber jetzt pass auf, weil das ist interessant.
     
    Die Natalie hat ihm erzählt, dass die Blutgruppen vom Kressdorf und seiner Tochter nicht zusammenpassen. Mein lieber Schwan, da ist sogar dem Brenner die Hitze in den Kopf gestiegen, Adrenalinschub Hilfsausdruck.
     
    »Ich versteh nicht, dass sie das der Polizei nicht gesagt hat«, ist es aus der Natalie herausgebrochen. »Wenn es um Leben und Tod meiner Tochter geht, dann sag ich doch alles! Sie haben es jahrelang mit künstlicher Befruchtung versucht, weil der Kressdorf keine gute Spermienqualität hat. Das haben wir ja in der Klinik mitgekriegt. Und auf einmal ist sie doch noch schwanger geworden.«
    »Ausgerechnet, wie der Obersenatsrat Stachl im Haus aufgetaucht ist.«
     
    »Warum fragen Sie mich, wenn Sie es eh wissen?« »Und der Kressdorf? Weiß der es?«
     
    Die Natalie hat den Kopf geschüttelt. »Damals hat sich die Frau Doktor oft ausgeweint bei mir, weil sie so fertig war von den Hormonbehandlungen. Sie hat insgesamt acht Fehlversuche gehabt, wissen Sie, was das für eine Frau heißt? Und auf einmal war sie schwanger.«
    »Und da haben Sie es sich gleich gedacht.«
     
    »Nein, das wundert mich am meisten. Ich hab mir überhaupt nichts gedacht. Ich hab mich ehrlich gefreut für sie. Und es wäre mir nie der Gedanke gekommen, wenn nicht unsere Sprechstundenhilfe alle paar Monate mit einer neuen Diät daherkommen würde.«
    »Die Blutgruppendiät.«
     
    Du wirst dich wundern, dass der Brenner dieses Wort überhaupt gekannt hat. Einfache Erklärung, die Sprechstundenhilfe hat ihn ja auch gleich in der ersten Woche zur Blutgruppendiät bekehren wollen. Das hat er der Natalie aber jetzt nicht gesagt, damit er ihre Erklärung nicht unterbricht.
     
    »Unsere Sprechstundenhilfe hat jeden gefragt, welche Blutgruppe er hat. Dadurch hat ein paar Wochen lang, bis sie mit der nächsten Diät dahergekommen ist, jeder von jedem die Blutgruppe gewusst. Die Frau Doktor hat A, und ihr Mann hat auch A. Nur die Helena hat keiner gefragt, welche Blutgruppe sie hat. Mir ist aber gleich nach ihrer Geburt aufgefallen, dass sie dieselbe wie ich hat. Blutgruppe B kann ein Kind aber nicht kriegen, wenn beide Eltern A haben.«
    »Ich weiß gar nicht auswendig, welche Blutgruppe ich habe«, hat der Brenner gesagt, und an diesem sinnlosen Kommentar merkst du schon, wie ihm die Geschichte an die Nieren gegangen ist.
    Und vielleicht wollte er auch der Natalie ersparen, dass sie noch sagt: »Ich kann mir nie verzeihen, dass mir das der Sprechstundenhilfe gegenüber herausgerutscht ist. Ich hab ihr zwar eingeschärft, sie darf es auf keinen Fall weitererzählen, aber Sie wissen ja, wie das ist. Ich hab keine Ahnung, wie viele Leute es dann erfahren haben.«
    »Der Knoll jedenfalls.«
    Aber interessant. Jetzt ist die Natalie auf eine ganz andere Art rot geworden als vorher. Und darum sag ich, die roten Stellen am Hals sind wirklich als Schrift

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