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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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unter sanftem Zwang meinerseits durchgesehen. Eine einzige Stelle konnten wir nicht klären. Er wollte das schriftlich tun.
Ich fasse zusammen: Thomas Bernhard ist gerne bereit, mit dem Verlag weiter in Verbindung zu sein. Nur möchte er mit dem Verlag nicht mehr jene Erlebnisse haben, die Beethoven gehabt haben könnte, wenn er eine Aufführung der Neunten Symphonie durch ein Polizeiorchester hätte erleben müssen. Bernhard schätzt den Verlag, seine Mitarbeiter, seinen Verleger. Er anerkennt, daß es neben ihm noch andere Autoren gibt, ja, er sieht, daß der Verlag die breite Basis diversifikatorisch braucht, um bestehen zu können. Aber er erwartet von uns auch die Anerkennung seines Werkes, seiner besonderen Bedingungen. Ich meine, unsere Bemühung steht dafür.«
    2   Laut einer Telegrammnotiz sendet S. U. am 2. Mai 1973 ein Telegramm an Bruno Ganz, Schaubühne am Halleschen Ufer: »Nach meinem Besuch bei Thomas Bernhard möchte ich Sie gerne sprechen stop Könnte dies am Freitag 4. Mai 17 Uhr in Berlin sein, wenn ja, bestimmen Sie den Ort stop Wenn nein, würden Sie die Liebenswürdigkeit haben mich Montag 7. Mai tagsüber im Verlag 74 02 31 oder abends zu Hause 55 28 67 anzurufen stop Schöne Grüße Siegfried Unseld.«
    3   Der »wesentlichste Punkt« wie die »›Stern‹-Fahrt« werden von S. U. angesprochen in seinem für die Chronik verfaßten Reisebericht Salzburg, Sonntag, 29. April 1973
»Komödie in Moll – Tragödie in Dur – so könnte man das Gespräch, das ich am 29. April mit Thomas Bernhard in Salzburg führte, beschreiben. Er wollte wissen, wie und wann ich hierhergekommen sei. Es ist mir geglückt, nicht sagen zu müssen, daß ich den Nachmittag und Abend zuvor bei Ilse Aichinger war. Ihn hätte das gekränkt, denn er hatte sich zurechtgelegt, daß ich in der Frühe von Frankfurt nach München und von München nach Salzburg geflogen war. [. . .] Von 13-15 Uhr, durch kleine Essensgänge unterbrochen, behandelten wir unser Problem. Wir diskutierten seine ›Anklagen‹, die großen Vernachlässigungen, wie er das sah, etwa die ›Hinschlachtung‹ seines Stückes in München. Ich erklärte ihm, daß kein Theaterverlag so etwas verhindern kann und daß er ja ausdrücklich von Rach auf Regisseur und Schauspieler hingewiesen wurde, er hätte dem nicht widersprochen. Doch das sei nicht seine Sache, der Verlag hätte die Katastrophe verhindern müssen. Überhaupt war seine ganz entschiedene Devise ›verhindern‹ und ›verbieten‹. Es gelang mir das, was ich hauptsächlich befürchtete und was auch er vorhatte, meinerseits zu verhindern, nämlich seine Verweigerung einer Zusammenarbeit mit Dr. Rach. Wir wollen diese Zusammenarbeit etwas mehr in Watte packen, er war auch nicht unzufrieden, daß ich den Brief Dr. Rach nicht in seiner vollen Wahrheit gezeigt habe. Es ging dann um die Theaterarbeit, Geld und Publikationen. Es war gut, daß ich ihm erklärte, daß in mir ein Denkprozeß stattgefunden habe, der mich auf seine Seite schlüge, insofern als ich einsehe, daß wir seine Stücke nur in wenigen Spitzenaufführungen freigeben sollten. In der Geldsache brachte ich ihn so in Verlegenheit, weil ich ihn immer wieder darauf hinwies, daß wir eine klare Vereinbarung hatten, die er nicht eingehalten habe. Ich sagte zu ihm, er spreche immer absolut die Wahrheit, doch wenn er meine Wahrheit höre, wolle er diese nicht hören. Er wurde an einer Stelle rot vor Ärger, als ich ihm sagte, daß ich in Gelddingen konkrete Abmachungen und deren Einhaltung schätze und davon auch nicht abgehen werde. Ich zwang ihn förmlich, einzusehen, daß er in dieser Sache mir gegenüber einen Fehler begangen hätte. So glichen sich dann die Fehler aus, und ich erfüllte, nachdem ich sein großes Geheimnis erfahren habe, seinen Wunsch nach neuen DM 20.000.—. Die Frage der Publikationen wurde relativ rasch gelöst. Es herrschte Übereinstimmung. Seine Bitte, daß der Suhrkamp Verlag im Frühjahr nur die ›Korrektur‹ und keine anderen Romane herausbringen sollte, lehnte ich freilich ab.
Sein großes Geheimnis: während in Wien der Prozeß zwischen den Salzburger Festspielen und Peymann und den Schauspielern vorbereitet wird [wegen der Weigerung von Claus Peymann, Der Ignorant und der Wahnsinnige bei den Festspielen mehr als einmal zu spielen, wenn nicht am Ende alle Lichter gelöscht seien, verklagt die Festspieldirektion Peymann und die Schauspieler; siehe Anm. 1 zu Brief 201], während der

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