Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
so.
Herzlich
Ihr
[Siegfried Unseld]
1 Die Anlage hat sich nicht erhalten.
[247; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
22. Mai 1973
Lieber Thomas Bernhard,
ich werde diesen Brief nicht unterzeichnen können, da ich zu einer Auslandsreise aufbrechen muß. 1
Mich hat Peymann angerufen und mich von den Berliner Vorgängen informiert. Ich nehme an, daß Sie mir dazu noch schreiben werden. Ich werde in den nächsten Wochen verreist sein, bin immer wieder für den einen oder anderen Tag in Frankfurt zurück, jedoch im Grunde genommen bis zum 25. Juni verschwunden. (USA!) Dann, so meine ich, sollten wir uns vielleicht irgendwo treffen. Was schlagen Sie vor?
Wie ich Ihnen schon schrieb, hat Dr. Rach gekündigt. Er möchte in relativ kurzer Zeit hier ausscheiden, um am Theater »praktisch« zu arbeiten. Da ich sehr kurzfristig disponieren mußte, kam ich mit Jürgen Becker überein, daß er für zwei Übergangsjahre die Leitung des Theaterverlages übernehmen wird. Er schätzt Ihre Arbeiten außerordentlich und ist, als eine der wenigen Ausnahmen, in der Lage, zwischen den eigenen Intentionen und den Qualitäten anderer zu unterscheiden.
Wenn wir uns treffen, sollte vielleicht auch ein Gespräch mit Herrn Kaut möglich sein. Je länger ich mir unser Gespräch überlege, um so klarer wird mir eine mögliche Kombination seiner und unserer neuen Interessen.
Ich hoffe, Sie können arbeiten. 2
Schöne Grüße
Ihr
Dr. Siegfried Unseld
i. A.
Renate Steinsiek
1 S. U. bricht am 21. Mai 1973 nach London auf, fliegt von dort nach Zürich, ist am 28./29. Mai in Berlin und hält sich zwischen dem 9. und 26. Juni zu Verlagsgesprächen in den USA auf.
2 Auf dem Brief notiert Th. B. handschriftlich zwei Telefonnummern; links unten mit grünem Kugelschreiber »07612/4185«, am linken Rand »03584/2426«. Bei ersterer handelt es sich um die Telefonnummer des Rathauscafés Brandl in Gmunden. Bei der zweiten um jene des Hotels Landsitz Pichlschloß in Mariahof bei Neumarkt in der Steiermark, wo Hedwig Stavianicek lange Jahre mehrere Sommerwochen verbringt, wobei Th. B. sie jedesmal hinbegleitet und wieder abholt.
[248; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
4. Juni 1973
Lieber Thomas Bernhard,
die Buchmesse findet diesmal in der Zeit vom 11.-16. Oktober statt. Traditionell beginnt für uns die Messe mit einem Empfang für Kritiker am Donnerstagnachmittag, 17 Uhr, in der Klettenbergstraße. Hier werden die wichtigsten Leute, Autoren, Kritiker, anwesend sein. Jedesmal liest auf diesem Empfang ein Autor aus einem Werk, das nicht im laufenden Jahr erscheint, sondern ein Jahr später erscheinen wird. Die Idee ist nicht so sehr, dem Verkauf zu huldigen, sondern einen Einblick in die Werkstatt zu geben.
In diesem Jahr wäre es besonders schön, wenn Sie aus der »Korrektur« lesen würden. Es wäre eine gute Gelegenheit, auf diesen Roman hinzuweisen, und Sie hätten hier ein ideales intellektuelles Publikum. Freilich, die Lesung sollte nicht länger als 15 oder 20 Minuten sein, und zweitens: Sie müßten fest versprechen, zu diesem Termin nach Frankfurt zu kommen. Eine Änderung wäre ungemein peinlich, da wir die Leute dann zu dieser Lesung einladen und ein Ersatz so kurzfristig als Lückenbüßer genommen und abgewertet werden könnte. Möchten Sie also kommen? Ich würde mich sehr freuen. Vielleicht könnten Sie mir noch bis zum Freitag, dem 8. Juni, Nachricht geben; danach werde ich für eine USA-Reise für 15 Tage nicht in Frankfurt anwesend sein.
Ich richte diese Anfrage jetzt an Sie, weil ich nicht genau weiß, wie Ihre Reisetermine sind, doch vielleicht sind Sie im Oktober in Wladiwostok oder schwimmen auf dem Indischen Ozean.
Schöne Grüße
Ihr
Siegfried Unseld
[249; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
9. Juni 1973
Lieber Herr Bernhard,
ich hoffte sehr, von Ihnen noch vor meiner Abreise in die USA zu hören, doch ich deute Ihr Schweigen durchaus freundlich.
Ich werde am 26. Juni wieder hier sein, muß dann jedoch bald wieder zu einer Schweizer Reise aufbrechen; im Juli bin ich wieder regelmäßig in Frankfurt. Bis dahin werde ich wohl von Ihnen gehört haben.
Ich hoffe, Ihnen ist die Nachricht angenehm, daß wir im nächsten »Spectaculum« Ihr Stück »Der Ignorant und der Wahnsinnige« aufnehmen. Das wird diesem Stück wieder eine neue Verbreitung geben. 1
Schöne Grüße
Ihr
Siegfried Unseld
1 Der Ignorant und der Wahnsinnige ist enthalten in Spectaculum 19 ,
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