Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Möglicherweise ist das Telegramm eine Reaktion auf einen Brief von Rudolf Rach an Th. B. vom 26. Oktober, in dem es heißt: »Haben Sie Verbindung mit Kaut? Ich möchte ihn nach unserem Gespräch treffen, um vor allem die mit der anschließenden Gastspielreise zusammenhängenden Fragen zu besprechen.«
[271; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
12. November 1973
Lieber Thomas Bernhard,
über den weiteren Fortgang der Salzburger Sache werden wir uns ja laufend informieren. Ich möchte hier noch einmal der Ordnung halber gravierende Gesichtspunkte unseres Gesprächs festhalten. 1
Sie haben entschieden, daß der Roman »Korrektur« nicht in diesem Frühjahr, sondern erst Mitte August erscheinen soll. Ich sagte Ihnen unumwunden, daß ich diese Entscheidung für falsch halte, und ich bin noch jetzt dieser Meinung; aber ich konnte Sie nicht umstimmen und muß deshalb also diesen August-Termin akzeptieren. Ich bitte Sie um Ablieferung des Manuskriptes bis zum 15. März 1974, ein weiteres Verschieben ist dann nicht mehr möglich, weil sonst unsere Finanzrechnung in Unordnung gerät, d. h., der große Saldo nicht abgedeckt sein kann, den wir bis zum 31. 12. 1974 abdecken wollten.
Wir haben folgendes Publikationsprogramm besprochen:
»Die Jagdgesellschaft«, Bibliothek Suhrkamp, April 1974;
»Macht der Gewohnheit«, Bibliothek Suhrkamp, Juli 1974;
»Korrektur«, Leinen-Ausgabe, Mitte August;
»Erinnern«, Bibliothek Suhrkamp, April 1975;
»Bernhard Reader«, April 1975.
Für 1975 oder 1976 haben wir dann im Rahmen der suhrkamp taschenbücher einen Band »Salzburger Stücke« vorgesehen; dann wären die Einzelausgaben in der Bibliothek Suhrkamp ausgelaufen.
Über eine erneute Publikation von »Amras« möchte ich nachdenken dürfen; das hängt ein wenig auch mit der Konzeption des Readers zusammen.
Was die Textausgabe für den »Kulterer« betrifft, so beansprucht hier Herr Schaffler vom Residenz Verlag die Rechte; er hat mir außerdem gesagt, Sie hätten ihm ein »kleines Büchlein« versprochen. Dieses Versprechen betrübt mich, denn einmal haben Sie mir davon nichts gesagt, und zum anderen ist es der Sinn unserer Zahlungen und vor allem der weiteren monatlichen Zahlungen, daß wir eine generelle Option auf all das ausüben, was Sie schreiben. Ich bin aber einverstanden, wenn Sie Herrn Schaffler das Recht geben, eine »Kulterer«-Ausgabe zu machen, irgendwie neben dem »Italiener« wäre das ja sinnvoll; 2 Sie deuteten an, daß Sie ein Ballett-Libretto schreiben wollen, dieses, meine ich, sollte vielleicht dem Reader vorbehalten sein; ich wäre aber auch damit einverstanden, daß Sie es als Einzelausgabe Herrn Schaffler überlassen, damit Sie Ihr Versprechen erfüllen können.
Unter der Voraussetzung dieses Publikationsprogramms und auch auf der Basis der Aufführungsrechte für Ihre Stücke und für die »Jagdgesellschaft« haben wir folgende materielle Vereinbarung getroffen:
Am 31. 12. 1973 beträgt unser Saldo DM 94.500.—.
DM 20.000.— bleiben als ständige Optionszahlungen stehen, so daß sich dann noch ein Betrag von DM 74.500.— ergibt. Dieser Betrag von DM 74.500.— soll bis zum 31. 12. 1974 abgegolten sein; wird durch Honorarabrechnungen Ihrer Werke und die sich ergebenden Tantiemen der Betrag nicht erreicht, so verfällt er mit Wirkung vom 31. 12. 1974; wenn sich größere Honorarerlöse ergeben haben, werden diese Ihnen gutgeschrieben.
Wir vereinbarten dann die Erhöhung der Monatszahlung vom 1. Januar 74 an von DM 1.000.— auf DM 1.250.—. Bitte, stellen Sie in Rechnung, daß diese zwölf Zahlungen 1974 dann immerhin auch einen Betrag von DM 15.000.— ergeben.
Ich hoffe, ich habe die Dinge so dargestellt, wie wir sie besprochen haben. Ihre Satz- und Farb- und Widmungswünsche für die beiden Stücke sind festgehalten.
Auch sonst habe ich vieles fest in mir verankert. Die Begegnung mit Ihnen war wiederum ungewöhnlich, einprägsam, mit Untertönen der Freundschaft, des Vertrauens und des Mißtrauens. Im ganzen, meine ich, haben wir uns verstanden. Wenn dieser Brief nicht ganz in Dur gehalten ist, so nur deshalb, weil ich über Ihre falsche Entscheidung im Hinblick auf den Erscheinungstermin der »Korrektur« nicht hinwegkomme.
Schöne Grüße
Ihr
Siegfried Unseld
P. S.: Sehr gutes Gespräch mit Schaffler; wir treffen uns im Winter einmal zum näheren Kennenlernen beim Skifahren.
1 Für die Chronik hat S. U. einen Bericht Thomas
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