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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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Der Roman ist fertig, er will ihn jetzt aber nicht herausgeben. Einmal möchte er keine ›Massierung‹ von zwei Stücken und dem Roman, zum anderen aber habe ich den Eindruck, daß er jetzt (nachdem er ein kurzes Ballett-Libretto geschrieben hat) einen längeren Roman schreiben möchte und er dazu die nächsten Monate benötigt. Erst wenn sein neuer Roman fertig ist, wird er dann die ›Korrektur‹ uns übergeben.
Schließlich das Thema ›Die Macht der Gewohnheit‹: die Honorierung für Salzburg und die Tournee. Er wollte, daß ich mit dem Festspielpräsidenten Kaut über einen Betrag von DM 50.000.— verhandeln sollte. Das lehnte ich ab. Für vier Aufführungen sei dieser Betrag einfach unzumutbar. Ich sagte ihm, daß ich DM 40.000.— verlangen wollte, und holte seine Zustimmung ein, diese DM 40.000.— als unsere letzte Bedingung anzugeben. Die Tournee wollte Bernhard unbedingt haben. [. . .] Wir machten dann einen langen Spaziergang durch Salzburg, immer wieder unsere Probleme erörternd, gingen Abendessen, er wollte sich eigentlich danach zurückziehen, aber wohl der angenehme Meraner Rotwein verführte ihn zum Erzählen. Ich verbrachte zwei geradezu wunderbare Stunden mit ihm, er erzählte mir von seinem Herkommen, von seinem Aufwachsen, von seiner ganz und gar unmöglichen Familie, in der alles durcheinanderlief, nichts stimmte, Inzucht und Verbrechen waren an der Ordnung. Er begann zu schreiben als Theater- und Prozeßberichter; schließlich, aus Verehrung für Thomas Wolfe und Faulkner, begann er zu schreiben. Im Jahr 1960 hat er ein Manuskript ›Der Wald auf der Straße‹ an den Suhrkamp Verlag eingeschickt. Er bekam es zurückgesandt mit einer vervielfältigten Karte [siehe Anm. 3 zu Brief 1]. Heute ist er froh, daß Suhrkamp das Manuskript abgelehnt hat; es gibt auch ein zweites Manuskript ›Schwarzach St. Veit‹, das die Verlage nicht genommen hätten. Auch darüber ist er froh. Die beiden Manuskripte hat er noch. Er will sie mir vielleicht zeigen für den Reader. Überhaupt war er sehr froh, daß ich den Reader für ihn herausgeben sollte. Er würde mich dann auf ein Manuskript hinweisen, das er für sehr interessant hielte: ›Die Irren und die Häftlinge‹ sind in einer Klagenfurter Zeitung abgedruckt worden. [ Die Irren. Die Häftlinge erschienen erstmals 1962 als Privatdruck im Klagenfurter Verlag Ferdinand Kleinmayr.]
Dann verabredeten wir uns für den nächsten Morgen 9 Uhr. Als ich in den Frühstückssaal kam, war Bernhard schon zwei Stunden unterwegs gewesen, er hatte schlecht geschlafen, alles tat ihm leid, was wir gesprochen hatten, er verlangte DM 1.500.— monatlich, was ich ablehnte; die paar Korrekturen oder Korrekturvorschläge, die ich ihm im Hinblick auf den Text ›Die Macht der Gewohnheit‹ gemacht habe, lehnte er ab, was er gestern als Fehler im Abschreiben bezeichnet habe, sah er jetzt als gut und richtig an, er wollte keinen Punkt, kein Komma, kein Wort, keine Zeile verändern. Wieder erneute Ausfälle gegen Rach, so laut, daß die Mitfrühstücker überrascht aufsahen. Ich konnte ihn kaum beruhigen. Er war hochgradig nervös, er muß eine üble Nacht gehabt haben.
Er begleitete mich dann zum Festspielhaus, dann verabschiedete er sich und fuhr nach Wien.
Mein Gespräch mit Herrn Kaut war freundlich. Ich sagte ihm, daß Bernhard DM 50.000.— für die Aufführung erwarte, aber er sagte, das würde für ihn bedeuten, die Sache sofort abzusetzen, und zwar könne die Entscheidung dann sofort fallen. Ich sagte ihm meine Meinung: DM 40.000.—, das lehnte er nicht rundweg ab. Doch die Bedingung, die Uraufführung an die Tournee zu knüpfen, mußte er ablehnen. Er bestätigte mir abermals, daß Dorn ihm gegenüber nicht erwähnt habe, die Durchführung der Tournee sei unmöglich. Die DM 40.000.— wollte er evtl. aufbringen, aber andererseits würde dann seine Forderung für Inszenierung und Bühnenbild gegenüber der Theater-Produktion höher werden. DM 40.000.— gegen DM 40.000.—; dann sparen wir die Überweisungskosten.
Wir verblieben so, daß wir den Versuch noch einmal machen wollten, bis zum Freitag, dem 23. November, müßte alles entschieden sein, dann gebe er sein Programm in Druck.«
    2    Der Kulterer. Eine Filmgeschichte erscheint 1974 im Residenz Verlag (siehe Anm. 1 zu Brief 332).

[272; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    28. November 1973
    Lieber Thomas Bernhard,
    anbei der Verlagsvertrag für die »Jagdgesellschaft«. Bitte, lesen

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