Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
herrscht ja auch völliges Verständnis auf beiden Seiten vor.
Wenn ich Ihnen einmal sagte, dass ich alle Honorare (diese haben im Wort etwas mit einer Ehre zu tun) zur Abdeckung meines Darlehens verwenden will, so bezog sich das naturgemäss, wie ich auch gesagt habe auf die »grossen« Bücher, die ja die meisten Einnahmen versprechen, auch wenn die Welt sich verkehrt dreht, aber natürlich versuche ich doch, aus den »kleinen« Veröffentlichungen, einen Geldbetrag herauszubekommen, das werden Sie sicher einsehen, ja sogar verstehen. Dazu gehört auch, was ich in der edition herausgebe, meiner Lieblingsbuchherde, wenn ich von der Bibliothek absehe. Und der Beweis dieser meiner Vorstellung, ist ja allein daraus ersichtlich, dass Sie mir 1965 für »Amras« anstandslos ein ausgemachtes Honorar von DM 3.000.— überwiesen haben, ich habe die Bestätigung hier, es waren 3.000.— (dreitausend!!!) und sie wurden mir im Dezember 65 überwiesen. Eine glückliche Konstellation.
Was, frage ich, 1965 recht war, soll heute, 1968, nicht mehr recht sein? Für eine bessere Arbeit (da ich mich ja doch, wie Sie selber andeuten in Ihrem Brief, verbessert habe) soll ich, nachdem, wie Sie wissen, alles teurer geworden ist, weniger bekommen? Das wäre eine unerträgliche Absurdität.
Weil Sie ja schreiben, man muss sich an die Realität halten. Ich halte mich an die Realität in einem höchstbegreiflichen Masse.
Ich bitte Sie also, mir innerhalb dieser Woche , die drei tausend für »Ungenach«, das höher einzuschätzen ist als »Amras« (weil das ja ein reiner Geschäftsbrief ist!) an meine hiesige Adresse zu überweisen. Den ganzen vollen Betrag ohne Steuerabzug, weil ich jetzt meine Steuern in Wien abzuführen verpflichtet bin. Wenn Sie nicht gewillt oder imstande sind, meinen Vorschlag zu akzeptieren, so bin ich nicht gewillt und d. h. nicht imstande , »Ungenach« in der edition herauszugeben, denn ob »Ungenach« erscheint oder nicht, ändert an meinem, wie Sie selbst in Ihrem Brief sagen, »grossen Namen« nichts.
Dies, weil Sie in Ihrem Brief vom 15., auf die akute Frage »Ungenach« überhaupt nicht eingegangen sind.
Ich möchte Sie noch erinnern, dass Sie selbst 3.000.— für »Ungenach« akzeptiert haben, wie ich weiss. Dann zogen Sie plötzlich zurück. Das empfand ich als beschämend etc.
Im übrigen arbeite ich gut und habe mich in meiner Arbeit noch niemals stören lassen.
Der Begriff der Geduld ist mir einer der vertrautesten.
Herzlich
Ihr Thomas Bernhard
[49; Anschrift: 〈Ohlsdorf〉]
Frankfurt am Main
24. Juli 1968
Lieber Herr Bernhard,
ich stelle mir vor, was künftige Adepten des Studiums von Literatur- und Verlagsgeschichte bei der Lektüre unseres Briefwechsels sagen werden. Suaviter in re, fortiter in modo.
Der Sinn meines letzten Briefes bezog sich lediglich auf einen einzigen Punkt, nämlich darauf, daß Sie den Insel Verlag für »schuldig« erklärten an dem schlechten Absatz des Buches. Nicht nur Autoren, auch ein Verleger hat Gefühle und Allergien, und meine erregen sich exakt an diesem Punkt. Deshalb meine Konzentration auf diesen einen Vorgang und deshalb die Nichterwähnung der Honorarprobleme »Ungenach«.
Es ist unwahr, daß ich Ihnen für die Übernahme von »Ungenach« in der edition suhrkamp DM 3.000.— angeboten hätte. Das stimmt einfach nicht, Sie können das, was Sie schreiben, nicht beweisen. Als diese Frage an mich herangetragen wurde, befragte ich die Statistik. Ich habe Ihnen mitgeteilt, wie wir die beiden Bände (»Amras« und »Prosa«) in der »es« bisher verkauft haben. Genau gesagt: von »Amras« wurden bis Ende April 4.816 Exemplare verkauft, bis jetzt werden es also rund gerechnet 5.000 Exemplare sein (pro Exemplar DM 0.20 = DM 1.000.—). Von »Prosa« verkauften wir bis Ende April 4.996, rund gerechnet bis jetzt 5.200 Exemplare (pro Exemplar DM 0,20 = DM 1.040.—). Von diesen Realien her muß ich mein Honorarangebot richten. Wie soll ich Unterschiede machen, ob der eine Text besser ist als der andere? Vielleicht Wittgenstein gegen Waldmann, Brecht gegen Hacks, Beckett gegen Christian Grote. Das geht also nicht, und deshalb das einheitliche Honorar.
Doch wir müssen uns jetzt entscheiden. »Ungenach« liegt in den Fahnen bei Ihnen. Es ist angekündigt und soll im September erscheinen. Da ich an dem Text hänge, seinen Verfasser hochschätze und unsere verschiedenen Meinungen lieber in den Akten der Verlagsablage als in der Öffentlichkeit
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