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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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weniger sorgsam abgeschirmt, die Buchausgabe zur Premiere Ende Juni vor. Hat etwa Bernhard, während jedermann gebannt auf Hochhuth wartete, heimlich ein Filbinger-Schlüsselstück in die Welt gesetzt?«
Rolf Hochhuth hatte am 17. Februar 1978 in der Zeit einen Vorabdruck aus seiner Erzählung Eine Liebe in Deutschland veröffentlicht, mit dem er die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machte, daß der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger als Marinestabsrichter während des Zweiten Weltkriegs noch kurz vor der Kapitulation Todesurteile ausgesprochen hatte. Filbinger, der die Vorwürfe leugnete und gerichtlich gegen Hochhuth und Die Zeit vorging, mußte schließlich am 7. August 1978 seinen Rücktritt erklären. Hochhuths Stück Juristen , das sich mit dieser Thematik beschäftigt, ist ursprünglich für Peymanns letzte Spielzeit am Württembergischen Staatstheater Stuttgart vorgesehen, wird aber nicht rechtzeitig fertig. Statt dessen setzt Peymann Vor dem Ruhestand auf den Spielplan (siehe Anm. 1 zu Brief 384 und den Kommentar zu Vor dem Ruhestand in Th. B.: Werke 18 , S. 377-397).

[378; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    4. Mai 1979
    Lieber Thomas Bernhard,
    ich habe nach unserem Telefonat Herrn Peymann angerufen, ihn jedoch nicht erreicht, sondern Herrn Beil. 1 Er hat mir gesagt, daß die Premiere des Stückes nun auf den 29. Juni definitiv festgesetzt sei. Ich gebe diese Nachricht weiter. Im übrigen liefe bei den Proben alles programmgemäß gut ab.
    Mir ist der 29. Juni nicht so angenehm, weil an diesem Abend eine große Veranstaltung für Mircea Eliade in Frankfurt stattfindet, zu der verschiedene Autoren des Verlages ebenfalls nach Frankfurt kommen. 2 Nun, wir werden sehen, beim Theater sind die Termine ja auch nicht immer so definitiv.
    Schöne Grüße
    Ihr
    [Siegfried Unseld]
    1   In einer Telefonnotiz vom 4. Mai, die er zur Kenntnis an den Theaterverlag gibt, schreibt S. U.:
»Telefonat mit Thomas Bernhard
am 4. Mai, Wien.
Er hat meinen Brief vom 27. April nicht erhalten. Am Telefon heute besprach ich mit ihm die Situation ›Vor dem Ruhestand‹. Er ist damit einverstanden, daß wir das Stück regulär anbieten. Er ist nicht gegen nachfolgende Aufführungen, aber er wünscht natürlich, daß es sich um gute Aufführungen handelt, und hofft, daß wir uns dafür von den Theatern dann Garantien geben lassen.«
In einer Notiz vom selben Tag an Renate Doufexis, Claus Carlé und Rolf Staudt hält S. U. fest:
»Thomas Bernhard, Claus Peymann und ich haben zur Strategie der Präsentation des Stückes ›Vor dem Ruhestand‹ folgendes vereinbart:
Weder der Autor noch das Theater noch der Suhrkamp Verlag werden vor der Aufführung den Text des Stückes an Dritte geben. Es soll also kein anderes Theater als Stuttgart, und es soll kein Kritiker vor der Aufführung den Text des Stückes erhalten. Nach der Aufführung werden wir dann den Stücktext den Theatern regulär anbieten, und ebenfalls werden wir sehr deutlich nach dem Datum der Uraufführung vom 29. Juni, also etwa Mitte Juli, das Buch ausliefern. Es ist unsere gemeinsame Absicht, die vom Autor, vom Theater und von uns getragen wird, daß wir einmal bei einem Stück von Bernhard versuchen wollen, für alle Beteiligten eine ganz unmittelbare Wirkung auf der Bühne zu erreichen. Es ist mir klar, daß hier manche Verstimmungen, insbesondere bei den Kritikern, ob des ungewöhnlichen Vorgangs entstehen, aber das wollen wir auf uns nehmen.
Ich bitte noch einmal dringlich, daß die beteiligten Abteilungen, Theaterverlag und Presse, in Hinsicht auf dieses Stück absolut dicht sind. Herr Peymann seinerseits hat seine Dramaturgen ebenfalls in dieser Weise verpflichtet.«
    2   Die Veranstaltung findet an diesem Tag nicht statt.

[379]
     
    Ohlsdorf
    7. Mai 79
    Lieber Doktor Unseld,
    was das im Augenblick in Stuttgart probierte Stück betrifft, bitte ich Sie, es absolut und unter allen Umständen unter Verschluss zu halten und keinem einzigen Menschen zu zeigen, nur so kann es zum Erfolg geführt werden. Wir müssen verhindern, dass der Text vor der Aufführung in die Hände der Schwätzer und Intriganten kommt, die bekannte Namen, aber in ihren scheusslichen Köpfen nichts als Geschwätz und Intrigantismus haben. Wir zerstörten uns absolut unser Konzept.
    Das Theater soll unmittelbar als Aufführung wirken, nicht schon vorher von allen diesen grauenhaften beispiellos dummen und gewissenlosen Kaiser und Jenny und

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