Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
zustande, wo Th. B. sich zwischen dem 25. Januar und 14. März aufhält. Dem entsprechenden Reisebericht ist zu entnehmen:
»Auf dem Flug nach Palma Jens Dittmars Werkgeschichte ›Bernhard‹ gelesen. Trotz Bernhards Verdikt finde ich das ein sehr nützliches Unternehmen. Informativ und durchaus spannend.
Thomas Bernhard holte mich am Flughafen ab, wir fuhren in die Stadt, machten dann einen zweistündigen Spaziergang durch die Altstadt, Mittagessen und bei all dem bemühte Gespräche um Gott und die Welt.
Nach einer kurzen Pause stiegen wir dann in den Ring, und der Abtausch dauerte drei Stunden.
Er, Bernhard, spiele keine Rolle im Suhrkamp Verlag. Seine Bücher erschienen, gewiß, er sei froh darüber, aber dann ereigne sich nichts mehr, was der Verlag bewirke, nur, was die Bücher selbst bewirkten. Andere Autoren werden ›durchgepeitscht‹, Walser und Handke. Bei ihm sei von Bemühung keine Spur. Der Band ›Erzählungen‹, an sich schön (mit Ausnahme jenes einzelnen Textes, der nicht hineingehöre), hätte nicht den Erfolg, den ich ihm angekündigt habe, auch hier kein Einsatz des Verlages, keine Anzeige, nichts Nennenswertes. Er wollte die Absatzziffer gar nicht wissen, aber von den 50- oder 20.000, von denen ich einmal gesprochen habe, sei doch nichts übrig geblieben. Meinen Einwand, daß er all die unveröffentlichten Erzählungen, die die Publikation besonders attraktiv gemacht hätten, gestrichen habe, ließ er nicht gelten. Überhaupt: die Suhrkamp-Produktion sei wie die anderer Verlage Fließbandproduktion, unmenschlich, so behandele man keine Geistesprodukte. Jeden Tag fielen zwei Bücher vom Band und weg seien sie. Er hasse Taschenbücher und finde es auch unnötig, daß seine Bücher im Taschenbuch erscheinen. Und ein Witz sei die ›Werkgeschichte‹; mit Werkgeschichte habe das überhaupt nichts zu tun, allenfalls mit begleitenden Texten zur Entstehung des Werkes. Sein Werk beginne allenfalls mit den Gedichtbänden und den ›Ereignissen‹. Und die Texte, die da als erste ausgegeben seien, seien gar nicht die ersten Texte. Er hätte in der von Herrn Kaut herausgegebenen ›Demokratischen Zeitung‹ [ Menschen ohne Heimat in: Demokratisches Volksblatt ] ein Flüchtlingslager besprochen, das sei sein erster Text, aber den habe Herr Dittmar nicht gefunden. Außerdem habe er vieles in der von Wieland Schmied mitredigierten Zeitung ›Der Morgen‹, Wien, geschrieben. Eine Rede vor einem Jugendkongreß in Innsbruck über Schriftsteller usw. – nichts bei Dittmar. Und auf jeder Seite wimmele es von Fehlern, anstatt Walzer-Tito hieß es Walser Trio undsoweiter. Auf Näheres wollte er sich nicht einlassen, aber immer wieder: auf jeder Seite Dutzende von Fehlern. Er wolle nicht verlangen, daß man die Publikation zurückziehe, am besten, man vergäße sie so rasch als möglich. Doch dies wiederum konnte ich ihm nicht versprechen, im Gegenteil, ich bin ja sicher, daß dieses Buch eine Auflage erlebt, die manches Buch von Bernhard nicht hat.
Ja, er erkenne an, daß seine Titel lieferbar seien, aber was hieße schon lieferbar. ›Ungenach‹ und ›Watten‹ seien doch wohl in der edition suhrkamp begraben, ob es da irgend etwas gäbe?
Und dann: die ›Verweigerung‹ der DM 20.000.—, nachdem er Rudolf Rach dreimal darum gebeten habe. Warum er mich nicht angerufen habe, fragte ich ihn. Ich wußte natürlich, warum er mich nicht angerufen hatte, denn er hat die Bochumer Vereinbarung gebrochen, wonach kein weiterer Teil mehr bei Residenz erscheinen sollte, das Ganze aber gesammelt, um einen neuen Teil erweitert, bei uns.
Drei Stunden dauerte diese Verlegerbeschimpfung, die viel konkreter und nicht so dramatisch und dämonisch war wie seinerzeit der Abend am Traunsee [siehe Anm. 2 zu Brief 407]. Im Grunde genommen wollte er wahrscheinlich auch nur seinen Unmut los werden, seinen Zorn, seine ›Haßliebe‹ auf den Verleger, den er ›öfters als wohlleben umbringen‹ wolle.
Dann studierten wir die Finanzen des Jahres 1981. Doch Gutschriften von 170.000.— gegen die Zahlungen von DM 150.000.—. Er war froh, als er ein Guthaben von DM 45.000.— sah, und wollte das aus Gründen, die ich hier nicht festhalte, auf DM 100.000.— aufgerundet sehen.
Auch seine monatliche Zahlung wollte er vom Verlag aus begründet auf DM 2.560.— erhöht sehen.
Als das alles geklärt war, legte er seinen Arbeits- und Publikationsplan vor. Herbst 1982 im Hauptprogramm die Erzählung ›Beton‹. Ausstattung wie
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