Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Sie sind mit dieser Regelung einverstanden.
Mit besten Grüßen
Ihr
Siegfried Unseld
[445; Briefpapier Hotel MeliÄ Mallorca, Palma de Mallorca]
[Palma de Mallorca]
25. Feber 82
Lieber Siegfried Unseld,
die Jacht aus Monrovia ist noch da, auch der Scheich hat Palma noch nicht verlassen, im Gegenteil, besuchte ihn gestern König Hassan, wie ich gesehen habe; der stille Betrachter aus Frankfurt ist leider längst fort.
So gehe ich – nach dem Besuch der Wiener! – wieder allein meine Wege und beschäftige mich mit weiteren Sätzen und deren tödlichen Fallen. So wird es ja bis zum Ende gehen und ich erkläre diese Beschäftigung zu meiner einzigen Leidenschaft.
Die angesprochenen Korrekturen im »Beton« lassen sich, denke ich, leicht machen, wenn ich den Umbruch in Ohlsdorf habe.
Ihr Brief war mir, auf dem heutigen Spaziergang, ein angenehmer Begleiter. In drei Wochen sehen wir uns und das ist mir ein ebenso angenehmer Gedanke,
Ihr
Thomas B.
[446]
Lovran
7. April 82
Lieber Siegfried Unseld,
an Ihren beiden Gesellschaften haben mir vor allem alle Juden gefallen und ich liebe sie jetzt noch mehr denn je, den simplen übrigen deutschen Köpfen gegenüber – und Sie waren der Sieger! Nun denn!
Das rechte Bein Goethes auf dem Tischbeinbild ist mindestens fünfzehn Zentimeter zu lang geraten, lassen Sie es bitte im Städel nachmessen, wenn der Goethe aufstehen würde, hinkte er so, dass er die ganze deutsche Nation erschrecken, gleichzeitig zum Lachen bringen müsste. 1
Ihr erster Kapitän zur Zeeh hat alles wie immer als einen Geniestreich gesteuert. Sie brauchen keinen Eisberg zu fürchten!
Im Ernst: ich arbeite bereits in meinem köstlichen Zimmer über dem Meeresrauschen und beobachte die Natur als lautlose Explosion. Ich habe einen der schönsten Balkone der Welt und absolut meine Ideen gezügelt.
Im »Wittgenstein« sind einige Verbesserungen zu machen, aber nicht so gravierende, dass kein Umbruch gemacht werden kann. Was die Schönheit meines Manuskripts betrifft, so werde ich mich das nächstemal tatsächlich einer Kur unterziehen. Und für diesmal bei dem Korrektor meinen Kopf um ein paar Entschuldigungsgrade neigen.
Der »Stimmenimitator« ist gestern angekommen und er gefällt mir ganz und gar. Was für ein herrliches Blau!!! 2
Der Roman endet mit dem Rabbiner Eisenberg, was Ihnen noch nichts sagen kann, mir aber das Wichtigste ist.
Einen Tag vor meiner Abreise telefonierte Schaffler und machte mich mit dem Vorschlag der Deutschen Buchgemeinschaft bekannt, die die fünf Bücher in »grösster Auflage« drucken will 84. Was sagen Sie! Darauf schrieb ich gerade jetzt Schaffler zurück, ich lehnte die Deutsche Buchgemeinschaft ab (was ich ihm gegenüber schon einmal getan habe!) und schlage vor, dass ein solcher Fünferband als Sonderausgabe mit Verbleib aller Rechte von Schaffler bei »Auslaufen« des »Kindes« »bei« Suhrkamp erscheint, um in der unerträglichen Verlagssprache zu sprechen. Und dass er Ihnen und mir entgegenkommen soll dabei. Was sagen Sie!!!
Ich nehme das als weiteren Beweis meiner Glücksexistenz.
Ich gehe jetzt nachtmahlen, Scampi in Weissweinsauce – und schäme mich nicht.
Ich grüsse ganz und gar –-
Ihr Thomas B.
1 Th. B. ist zwischen dem 19. und 21. März in Frankfurt am Main. Am 19. März trifft man sich abends im Haus des Verlegers in der Klettenbergstraße zur Feier des 75. Geburtstages von Hans Mayer. Neben Th. B. finden sich die Autoren Ilse Aichinger, Peter Bichsel, Max Frisch, Stefan Hermlin, Wolfgang Hildesheimer, Rolf Hochhuth, Karin Kiwus, Karl Krolow, Adolf Muschg, Hans Werner Richter und Martin Walser ein. S. U. hält die Begrüßungsrede. Am 21. März beginnt um 11 Uhr im Schauspielhaus eine Matinee anläßlich des 150. Geburtstags von Johann Wolfgang Goethe, in der auch die Ergebnisse des von der Stadt Frankfurt, der Johann Wolfgang Goethe-Universität und dem Insel Verlag veranstalteten Wettbewerbs »Mein Goethe« (es galt, die fünf beliebtesten Gedichte auszuwählen) präsentiert werden. Die Bühnendekoration besteht aus Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins Goethe in der Campagna und der Version des Gemäldes von Andy Warhol. Es spricht, nach einer Einführung von S. U., Adolf Muschg, Martin Walser liest aus seinem Stück In Goethes Hand . Am 21. März unterzeichnet Th. B. einen Darlehensvertrag über 55 000 DM, den ihm der Suhrkamp Verlag gewährt. Zugleich übergibt er das Typoskript von Wittgensteins Neffe .
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