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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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mitgeteilt und ich gehe von diesem Entschluss nicht mehr ab, umso mehr als mich Ihr Brief vom August in der Richtigkeit meines Entschlusses geradezu elementar bestärkt.
Ihr Brief bevorzugt und betont in jeder Zeile nur die Geschäftsinteressen Ihres Verlages ohne die geringste Rücksicht auf meine Position, mit welcher Sie sich, wie ich aus eben Ihrem Brief möglicherweise und bedauerlicherweise erkennen muss, gar nicht auseinandergesetzt haben.
Glauben Sie im Ernst, dass ich einem Staat, der mein letztes Buch mit der grössten Rücksichtslosigkeit beschlagnahmt und tatsächlich in den Schmutz gezogen hat, auch gleich mein nächstes ausliefere, nur weil der Suhrkampverlag auf die Reibungslosigkeit seines Österreichverkaufs bedacht ist?
Glauben Sie im Ernst, dass ich einem Staat, der mich wegen meines letzten Buches gerichtlich verfolgt und in einen immerhin viermonatigen absolut niederträchtigen Prozess verwickelt und mich vier Monate an meiner Arbeit gehindert hat, mein nächstes Buch ausliefere?
Glauben Sie im Ernst, daß ich mein nächstes Buch einem Staat ausliefere, der mich monatelang mit Dutzenden von Vorladungen vor allen möglichen Gerichten gepeinigt hat?
Glauben Sie im Ernst, dass ich mein neues Buch an genau jene österreichischen Redaktionen verschicken lasse, die mich schließlich vor Gericht gebracht, die diesen Prozess angezettelt und die mich monatelang verleumdet und angefeindet und mit ihren Lügen in Verruf gebracht haben?
Glauben Sie im Ernst, dass ich meine moralische Potenz einer Verlagsbequemlichkeit zuliebe über Bord werfe?
Und glauben Sie im Ernst, dass ich jetzt, bei Erscheinen der ›Alten Meister‹ so tue, als wäre nichts geschehen, nur weil Sie 50.000 Mark an Prozesskosten gezahlt haben, was Ihre freie Entscheidung, ohne mein Wissen, gewesen ist?
Mir diese 50.000 Mark nun schon zum xten Male vorzuhalten, empfinde ich als die zentrale Geschmacklosigkeit Ihres Briefes.
Sie schreiben ›in der Öffentlichkeit stehen wir jetzt überzeugend da.‹ Wie ich in der Öffentlichkeit dastehe, ist mir völlig gleichgültig, aber es ist mir nicht gleichgültig, wie ich vor mir selbst dastehe.
Und um vor mir gut dazustehen, habe ich auf die Ungeheuerlichkeit der Beschlagnahme von ›Holzfällen‹, die mich selbst zutiefst getroffen, die aber in der Öffentlichkeit geradezu schamlos als witzige Bagtelle oder gemeine Bernhard-Finte eingestuft worden ist, zu reagieren und es ist die natürlichste Reaktion meinerseits, dass ich meine Bücher von diesem gemeinen und stumpfsinnigen Staat fernhalte.
Es ist richtig, dass ich Ihnen im Frankfurter Hof nachgegeben und einer Auslieferung der ›Alten Meister‹ nach Österreich zugestimmt habe. In der Zwischenzeit aber bin ich der Meinung, dass ich einer solchen Auslieferung nach Österreich allein aus Gründen der Selbstachtung nicht zustimmen kann. Und ich will auch einer Auslieferung aller anderen meiner im Suhrkampverlag erschienenen Bücher nach Österreich nicht zustimmen. Liefert der Suhrkampverlag dennoch aus, so ist er zwar im juristischen Recht, handelt aber gegen meinen ausdrücklichen Willen. Wer in Österreich meine Bücher lesen will, kann sie sich beschaffen. Wer sie nicht unbedingt lesen will, auf den kann ich verzichten.
Andauernd reden Sie in Ihrem Brief von der Meinung der Öffentlichkeit und ich muss Ihnen sagen, dass mir die Meinung der Öffentlichkeit selbstverständlich naturgemäss nicht gleichgültig sein kann, dass sie mir aber selbstverständlich erst nach meiner eigenen kommt.
In unzuläßiger Weise bezichtigen Sie mich als Höhepunkt Ihres Entgleisungsbriefes auch noch nicht einmal nur unterschwellig des Opportunismus gegenüber dem österreichischen Staat mit seinem von diesem ›österreichischen Staat ja aussschliesslich subventionierten Festspielen‹.
Diese Bezichtigung ist in Form und Inhalt zu niedrig, als dass ich darauf noch weiter eingehen kann.
Sie schreiben ›Meine Aufgabe ist die Vervielfältigung und Verbreitung‹. Meine Aufgabe ist die, noch einige Zeit zu überleben. Nichts weiter.
Ihr Thomas Bernhard«
Die zweite und die dritte Version decken sich weitgehend, wobei die dritte bloß den ersten Absatz der zweiten wegläßt; diese zweite Version, die auch die einzige unterschriebene ist, lautet:
»Lieber Doktor Unseld,
Ihr Brief vom 7. August enthält soviel Unrichtigkeiten, unerhörte Geschmacklosigkeiten und noch Schlimmeres, sodass ich im Detail gar nicht darauf eingehen kann und er hat mich in meinem

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