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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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Mal tief enttäuscht. Das ist ein müder Aufguß. Wie sage ich es meinem Kinde?«

[481; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    17. Juli 1985
    Lieber Thomas Bernhard,
    Sie haben vom Uwe Johnson-Archiv gehört. Der Betreuer des Archivs, Dr. Eberhard Fahlke, hat jetzt einen Bericht geschrieben, den ich Ihnen doch zur Kenntnis geben möchte. 1
    Schöne Grüße
    Ihr
    Siegfried Unseld
    1   Die Anlage hat sich nicht erhalten. In Forschung Frankfurt , H. 1, 1985, S. 2-8, findet sich ein Artikel von Eberhard Fahlke mit dem Titel Das Handwerk des Schreibens. Das Uwe Johnson-Archiv an der Johann Wolfgang Goethe-Universität .

[482]
     
    Wien
    1. August 85
    Lieber Siegfried Unseld,
    bevor die »Alten Meister« im wahrsten Sinn des Wortes ausgeliefert werden, muss ich mit aller Deutlichkeit sagen, dass ich ein Ausliefern nach Österreich unter keinen Umständen wünsche. Das betrifft nicht nur die »Alten Meister«, sondern sämtliche meiner erschienenen Bücher. Ich bekräftige also meinen Entschluss des Vorjahrs mit dem ganzen Ernst meiner Situation.
    Ich lebe zwar hier in Österreich, aber ich will mit diesem Staat tatsächlich nichts mehr zu tun haben, meine Arbeiten wünsche ich absolut nicht mehr in den österreichischen Buchhandlungen zu sehen.
    Wie ich Frau Zeeh schon gesagt habe, wünsche ich auch nicht, dass an irgendeine Redaktion in Österreich ein Rezensionsexemplar geschickt wird. 1
    Was die Theaterarbeit betrifft, so ist sie in künstlerischer wie freundschaftlicher Selbstverständlichkeit an Peymann gebunden und ich habe dafür den Salzburger Ausweg gefunden.
    Ich werde nicht mehr nach Salzburg fahren und mir den »Theatermacher« einmal in Bochum anschauen, es wäre also ideal für mich, wenn Sie sich für einen Wiener Ausflug entschliessen könnten, so bald als möglich, mit Ihren gefüllten Hosentaschen.
    Dieser Scherz erlaubt es mir auch, zu sagen, dass die heutige literarische Produktion insgesamt einen Tiefpunkt und eine Geschmacklosigkeit erreicht hat, wie seit Jahrhunderten nicht. Ich hoffe, Sie sehen das auch. Lauter kitschiger und kopfloser Schmarren wird gedruckt, das ist über so viele Jahre schon deprimierend. Die Schriftsteller sind kunstlose Dummköpfe und die Kritiker sentimentale Schwätzer. Ich selbst halte mich durch ununterbrochene Arbeit in einer Atmosphäre von Neid und Hass am Leben. Dieses Leben ist mir tatsächlich das grösste Vergnügen. 2
    Ihr Prosa- und Theaternarr
    Thomas B.
    1   Burgel Zeeh notiert nach einem Telefonat mit Th. B. am 29. Juli: »Und wir sollten auch keine Presse-Exemplare nach Österreich liefern.«
    2   Zu diesem Brief hat sich im Nachlaß von Th. B. eine noch in Ohlsdorf verfaßte, unterschriebene, aber nicht abgeschickte Variante vom 29. Juli 1985 erhalten:
»Lieber Siegfried Unseld,
bevor die ›Alten Meister‹ fertig sind und ausgeliefert werden, will ich nocheinmal deutlich sagen, dass ich keines dieser Bücher – wie auch der anderen, bisher erschienenen! – in Österreich ausgeliefert haben will, also mein diesbezüglicher Wunsch nach wie vor und mit noch grösserer Vehemenz als vielleicht angenommen wird, besteht.
Auch bin ich dagegen, dass auch nur ein einziges Rezensionsexemplar an irgendeine österreichische Redaktion geht.
Das ist mein Ernst.
Sollte meinem Wunsch nicht entsprochen werden, kann ich dagegen nichts tun.
Da ich hier so belästigt werde, wie noch nie, bin ich ab morgen in Wien, wo ich mich zu schützen weiss.
Es ist klar, dass ich Sie sehr gern in allernächster Zeit treffe.
Was das ›literarische Leben‹ betrifft, so hat es – und ich hoffe, auch Ihnen entgeht das nicht! – in der letzten Zeit einen so verheerenden Tiefpunkt erreicht, dass ich im Grunde nichts mehr damit zu tun haben will. Die Bücher, die jetzt gedruckt werden, sind so miserabel kopflos, wie die Zeit, die sie auf den Markt befördert.
Ihr
Thomas B.«

[483]
     
    Ohlsdorf
    5. August 85
    Lieber Doktor Unseld,
    für die Tatsache, dass ich kein einziges meiner im Suhrkampverlag erschienenen Bücher mehr nach Österreich ausgeliefert haben will, gibt es zwei Gründe:
1.  in Konsequenz der staatlichen Beschlagnahme meines Buches »Holzfällen« und
2.  die Verkommenheit und Niedrigkeit des österreichischen Staates überhaupt, mit welchem ich, was meine literarische Arbeit betrifft, nichts mehr zu tun haben will.
    Es ist selbstverständlich, dass ich auch kein einziges meiner Bücher an irgendeine österreichische Redaktion geschickt haben will.
    Ich

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