Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Auflage, gebunden, von 1000 Exemplaren.], sondern einen Band in der Bibliothek Suhrkamp. Größere Satztype, leicht und schön gesetzt, schwarzweißer Umschlag.
Im übrigen sei ihm sonst alles gleich, wir könnten machen, was wir wollten. Freilich, wir benützten immer die alten Photos, und warum wir die bibliographischen Angaben auf dem Stand von vor zehn Jahren hielten. Er hätte doch einiges geschrieben. Wer denn, außer ihm, hätte so viel geschrieben?
Im übrigen sei ihm alles gleich, und immer wieder ›leben, solange wir leben‹. Am nächsten Tag würde er um elf Uhr ins Café gehen, alle Zeitungen studieren und seine Kritiken lesen, danach würde er gut essen gehen, und um fünfzehn Uhr habe er alles vergessen. Leben, solange wir leben.«
Ende September kommt Th. B. anläßlich einer Theatermacher -Aufführung und des 61. Geburtstags von S. U. nach Frankfurt; S. U. vermerkt dazu in seiner Chronik unter dem Datum des 29. bzw. 30. September 1985:
»Bernhard aufgeräumt. Wir sehen uns am Abend. Die Stadt Frankfurt ist aufgewühlt. Bei einer Demonstration hat ein Wasserwerfer der Polizei einen Demonstranten überfahren, der dabei ums Leben kam. Ein betroffen machendes Unglück. Freilich, wer sich in Gefahr begibt … Es wird von nun an wieder Unruhen geben. Und so auch am Sonntag abend, als die Leute in die Aufführung [des Bochumer Gastspiels] von Bernhards ›Der Theatermacher‹ strömten.
Ich hole Bernhard um 22 h ab, wir warten, bis unsere Gäste zum Mitternachtsempfang kommen. Die kommen dann auch wirklich um Mitternacht. Begeistert von der Aufführung.
Die Schauspieler fühlten sich ganz offensichtlich in unserem Hause wohl. Martin Schwab blieb bis um 7 Uhr!
Claus Peymann dankt mit einem langen Telegramm. […]
30. September 1985
Im Verlag dann Thomas Bernhard, der wieder seine 60 TDM einstreicht. Sonst aber guten Mutes ist. Er macht noch Besuche im, wie er sagte, Kulturhaus Suhrkamp, ißt noch mit Burgel Zeeh, Rach und Joachim im Laumer und verschwindet dann wieder in seine österreichischen Gefilde, um zu sehen, wie dort die Dinge stehen. Wahrscheinlich wankt der Sessel des Kultusministers Moritz [Zu den Äußerungen des damaligen Ministers für Unterricht, Kunst und Sport siehe Anm. 1 zu Brief 485.], Peymann hat bereits aufbegehrt und gesagt, daß er nun demonstrativ Bernhard spielen möchte. Das ist natürlich ein Schachzug, um Bernhard für eine Aufführung definitiv zu gewinnen, was Bernhard natürlich reizt.«
[485]
Wien
26. November 85
Lieber Doktor Unseld,
wenn ich bedenke, mit was für einem gigantischen Werbeaufwand Sie sich über drei Monate lang für Herrn Walsers Buch ins Zeug legen, während Sie für meine »Alten Meister« fast nichts getan haben, obwohl Sie wissen, dass heute Werbung beinahe alles ist, könnte mir die Lust an einer Zusammenarbeit mit dem Verlag schon vergehen.
Aber ich schreibe ja für mich und nicht für den Verleger und um Geld geht es ja wirklich nicht.
Auch sonst haben Sie mich und meine Arbeit tatsächlich, wie gesagt wird, im Regen stehen lassen.
Die Lebenszeit ist zu kurz, um sie mit Gezeter und Geplemper noch mehr zu verkürzen, aber Sie sollen wissen, dass ich nach wie vor ein guter Beobachter der Ereignisse bin.
Ihr
Thomas Bernhard
P. S.: Die Schamlosigkeit, mit der Sie dieses schauerliche Walserbuch in die Höhe gestemmt haben, ist absolut geschmacklos und auf die verlegerische Zukunft bezogen, deprimierend! 1
1 Auch dieser Brief hat eine längere Vorgeschichte, und auch zu diesem Brief haben sich im Nachlaß mehrere nicht abgeschickte Varianten erhalten. Gerade an dem 7. August, an dem S. U. in seiner Chronik den Erhalt des Briefs von Th. B. mit der darin enthaltenen Forderung nach Nicht-Auslieferung der Alten Meister in Österreich vermerkt (siehe Anm. 8 zu Brief 484), notiert S. U. ebendort: »Im Verlag Planung: Martin Walsers ›Brandung‹ als Bestseller. Soweit sind wir schon, daß wir das tun müssen. Der Autor erwartet das, aber auch die Umwelt.« Ohne daß Th. B. von dieser verlagsinternen Planung wissen konnte, führen diese Werbeanstrengungen für Walsers Roman im November 1985 zu einer schweren Verstimmung. Noch bevor ein Brief Th. B.s den Verlag erreicht, kündigt sich das in einem Telefonat mit Burgel Zeeh an; in ihrer Telefonnotiz vom 19. November 1985 heißt es:
»Telefonat mit Bernhard heute gegen 17.30 h:
Er war ganz mieser Stimmung, fast schweigsam, mühsam. Er brütet irgend etwas aus. Er habe schon
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