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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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besessenen Idioten wie ich. Für den Fall, dass Sie wieder schreiben oder auch nur diktieren können, biete ich mich also als Empfänger einer Frankfurter Epistel an. 2
    Ihr
    Thomas Bernhard
    1   S. U. stellt am 27. Januar 1986 Dessen Sprache du nicht verstehst in Wien vor. Am 3. Februar 1986 notiert er in der Chronik : »Seit Wien laboriere ich an einer Grippe, und jetzt kommt sie stärker heraus.«
    2   S. U. vermerkt in der Chronik unter dem 22. / 23. Februar das Eintreffen dieses Briefes und fügt hinzu: »Ich antworte darauf nicht, zumal er noch unterwegs ist.« Am 28. Februar kommt es zu einem Telefonat zwischen S. U. und Th. B. Anlaß ist die Uraufführung von Einfach kompliziert am selben Tag im Berliner Schiller-Theater (Regie: Klaus André, alter Schauspieler: Bernhard Minetti, junges Mädchen: Vera Milde-Karkos). S. U. notiert im Reisebericht Berlin, 28. Februar-1. März 1986 : »Das Ganze stand und fiel mit Minetti, und es stand; das Stück eher schwach, Minetti aber war groß, und so standen am Schluß Ovationen. Ich sprach mit Minetti, telefonierte in der Nacht noch mit Thomas Bernhard, der ein ›Gelingen‹ registrierte, aber man kann erwarten, daß die Kritik sehr böse reagieren wird.« Georg Hensel schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 3. März 1986 unter der Überschrift Mit Gefühl : »Die Selbstimitationen kann man auch Selbstzitate nennen, das klingt schon besser: Thomas – Bernhard – Minetti’s greatest hits. Nur Thomas Bernhard müßte es stören. Er riskiert allenfalls noch Privatprozesse. Seine Kunst setzt er schon lange nicht mehr aufs Spiel.«

[489; Anschrift: Wien]
     
    Frankfurt am Main
    10. März 1986
    Lieber Thomas Bernhard,
    »Le Monde« vom vergangenen Freitag möchte ich Ihnen doch schicken. Pauvre Thomas Bernhard! Jetzt aber »La célébrité de l’Autrichien« und »Irritation et fascination«. 1
    Herzliche Grüße
    Ihr
    Siegfried Unseld
    1   S. U. bezieht sich auf den am 7. März 1986 in Le Monde erschienenen Artikel von Jean-Louis de Rambures La célébrité de l’Autrichien Thomas Bernhard. Son dernier livre ›Alte Meister‹ .

[490; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    2. April 1986
    Lieber Thomas Bernhard,
    Burgel Zeeh spielt russisch, hoffentlich kein Roulett, doch jetzt sind wir auf schriftliche Kommunikation angewiesen. 1 Von ihr wissen Sie, daß ich am 14. April in Wien sein werde. Wäre es möglich, daß wir uns um 21.00 Uhr vielleicht im Café vom Hotel Sacher treffen? Ich hoffe, bis dahin alle meine Pflichten erledigt zu haben und für Sie ganz frei zu sein. 2
    Herzliche Grüße
    Ihr
    Siegfried Unseld
    1   In der ersten April-Hälfte ist Burgel Zeeh in Moskau. Vor ihrer Abreise hält sie in einer Telefonnotiz fest: »Telefonat mit Thomas Bernhard: Er ist um den 14. April herum in Wien, ein Treffen ist also möglich und von ihm sicherlich auch erwünscht – sonst bliebe er wohl in Ohlsdorf. Man muß also mit ihm noch eine Verabredung treffen, z. B. für den 13. abends oder den 15. April.«
    2   Das Treffen im Sacher findet am 14. April statt. S. U. nimmt zuvor an der Feier zur Verleihung des Österreichischen Staatspreises für Europäische Literatur an Stanis\law Lem durch den Minister für Unterricht, Kunst und Sport, Herbert Moritz, teil. Letzterer – in den fünfziger Jahren der für Th. B. verantwortliche Redakteur beim Salzburger Demokratischen Volksblatt (siehe Herbert Moritz: Lehrjahre ) – erklärte am 20. September 1985 in einem ORF-Interview zu Alte Meister , Th. B. werde »zunehmend zu einem Thema der Wissenschaft, wobei ich nicht allein die Literaturwissenschaft meine«. Th. B. antwortet darauf in der Presse vom 25. September 1985: »Die Ungeheuerlichkeiten, die Herr Moritz über mich und meine Arbeit gesagt hat, bestätigen nur die totale Verkommenheit und Verlogenheit dieses jetzigen österreichischen Staates und seiner Repräsentanten. […] Eine Verächtlichmachung […] und eine Psychiatrieempfehlung vor Hunderttausenden von Fernsehzuschauern durch einen amtierenden Kulturminister , […] würde auch der Österreichagitator und Moralist Reger in meinem Buch ›Alte Meister‹ sagen, erfüllt nicht nur den Tatbestand einer strafbaren Handlung, die zu verfolgen ich naturgemäß keine Lust habe, sondern ist eine nationale Schande.« Siehe Anm. 1 zu Brief 485.
Beim anschließenden Empfang sucht Herbert Moritz das Gespräch mit S. U., der darüber im Reisebericht Wien, 14.-15. April

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