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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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1986 festhält:
»Thema: Thomas Bernhard. Er schätze ihn. […] Bernhard nehme natürlich jede Gelegenheit der Nestbeschmutzung wahr. Ob ich wisse, was er ihm habe ausrichten lassen? Ich mußte ihm sagen, daß Thomas Bernhard sich selber für einen Meister der Übertreibung hält und daß ich ihn kennengelernt habe als einen Mann, der Österreich und Wien bei aller Kritik liebe. Freilich, Bernhard macht es dem Minister sehr schwer. Dieser hatte ihm auf Antrag der Grazer Autorenversammlung den Ehrentitel Professor angeboten. Bernhard machte folgende Presseverlautbarung:
Professor
Mein Beitrag zur Eindämmung der Professoreninflation in Österreich. Es gibt ja schon viel mehr Professoren als Kellner und Kellnerlehrlinge zusammen. Die Quelle dieser ekelerregenden Professorenseuche ist vor allem das sogenannte Kunst- und Unterrichts- und Sportministerium, das jährlich Tausende und Abertausende von lächerlichen Professoren- und anderen Titeln ausschüttet und das ganze arme Österreich mit seiner übelstinkenden Unterrichts- und Kunst- und Sporttitelsauce übergießt. […]
Um 18 Uhr in der Österreichischen Landesbank: der Vorstand in Gestalt von Generaldirektor Gerhard Wagner verlieh den Länderbank-Preis an Marianne Fritz. Ich nahm den Preis und vor allen Dingen den Scheck in Höhe von 70.000.— Schillingen entgegen, hielt eine kurze Rede. […]
Um 21 Uhr war ich mit Thomas Bernhard im Sacher verabredet. Ich kam zehn Minuten früher an, machte also noch einen kleinen Spaziergang um das Sacher herum, und wer macht dasselbe? – Thomas Bernhard. Wir trafen uns auf der Kärntner Straße, gingen dann ins Sacher. Ich mußte die Beschimpfung über mich ergehen lassen über meinen heutigen ›Kulturtag‹. Ihm sei es unfaßlich, wie man einem solchen ›Schwein‹ wie Moritz die Hand geben könnte, unfaßlich, was Herr Lem in seiner Dankesrede bei der offiziellen Feier (die in der Tat nicht gut war) gesagt habe, tiefer hätte Lem in das Arschloch des Herrn Ministers nicht hineinkriechen können. Das war der Kommentar. Er wußte natürlich auch, daß ich bei der Marianne-Fritz-Feier gesprochen habe. Als er noch einmal auf die Vielzahl der Anzeigen des Verlages für Martin Walser zu sprechen kam, nannte ich seine Haltung doch sehr kleinlich angesichts dessen, was wir hier in Österreich für ihn getan haben. Er aber meinte, man hätte ihn im Regen stehen lassen [siehe Brief 485].
Es war eine schwierige Unterhaltung. Ich deutete auf sein kleines Rucksäckchen hin, in dem sich etwas DIN A 4-artiges abzeichnete, und fragte ihn, ob er mir das Manuskript mitgebracht habe. Ja, sagte er, einerseits sollte man in diesem Verlag nichts mehr publizieren, andererseits – die anderen Verlage seien ja auch nicht besser, und Suhrkamp sei immer noch das Beste, was sich da böte, und so gab er mir sein Manuskript ›Auslöschung‹. Er will die Typographie ›Holzfällen‹ und ›Alte Meister‹ haben, und das ergebe 700-800 Seiten, der Preis sei ihm egal. Umschlag in der Art wie ›Holzfällen‹, zarte Schrift, dunkles Nußbaumbraun, die Struktur wie beim Umschlag ›Holzfällen‹.
Er möchte nichts mehr sehen, gleich den Umbruch haben, es sei auch kaum etwas zu ändern.
Dann übergab er mir das Manuskript. Ich sagte ihm, daß ich sofort ins Hotel ginge, um zu lesen. Er hat das auch noch einmal kontrolliert [durch einen Telefonanruf im Hotel], und ich habe dann in der Tat in der Nacht die ersten 40 Seiten gelesen und bei der Rückfahrt weitere 40 Seiten, so daß ich bei den Vertretern über die ›Auslöschung‹ berichten konnte, über jenen Ich-Erzähler, der das Schicksal seiner Familie seinem Schüler Gambetti ausbreitet, seiner Familie, die reich und wohlbegütert war, aber eben doch auch eine Nazivergangenheit hatte, die ihn letztlich dann bewog, als die Eltern und der Bruder starben und also eine Auslöschung vollzogen war, auch die materiellen Dinge auszulöschen und sie dem israelischen Kulturzentrum in Wien zu schenken.«
In der Chronik vermerkt S. U. über diese Begegnung zusätzlich: »Er denke sich noch einen Untertitel aus. ›Ein Verfall‹. Das wurde verworfen, später kam dann ›Ein Nachlaß‹ – wie schon einmal gehabt.«
Th. B. kommt am 29. April 1986 nach Frankfurt, um über Korrekturvorschläge zur Auslöschung zu entscheiden. S. U. schreibt über diesen Besuch in seiner Chronik unter dem Datum des 28. April:
»Sonst Vorbereitung auf den morgigen Besuch von Thomas Bernhard. Drei Stunden Lektüre in der

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