Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
könnt’ ich sagen, ich red’ nie wieder ein Wort mit ihm und wechsle den Verlag. Aber im nächsten ist es genauso grauslich.‹ Hier blitzt bei Bernhard etwas auf, was er wirklich denkt. […] Aber daß es mir nur um mein kleines und niedriges Geschäfterl ohne Rücksicht auf irgend etwas gehe, das ist natürlich schon ein starkes Stück.«
[522]
Wien
20. 11. 88
Lieber Siegfried Unseld,
vor zwei Tagen war ich hier mit Herrn Jung vom Residenzverlag zusammen und ich bedauerte bei dieser Gelegenheit sehr, dass die Verleger sich offensichtlich nicht geeinigt haben, meine biografischen Bücher betreffend. Ich selbst mische mich in die Angelegenheit, wie gesagt, nicht mehr ein.
Ich habe Herrn Jung ein Manuskript zur Veröffentlichung gegeben, das unmittelbar mit der Stadt Salzburg in Beziehung steht und im Hinblick darauf, dass ich ja im Suhrkampverlag nächsten Herbst ein Buch herauszugeben plane nächstes Frühjahr erscheinen soll. »In der Höhe, Rettungsversuch, Unsinn« ist sein Titel; der Vertrag ist so beschlossen, dass er dem Residenzverlag nur eine einzige Herausgabe gestattet, sonst nichts und der Weg für die Bibliothek Suhrkamp, in die hinein ich das Buch, zwei Jahre später, wünsche, offen ist. 1 Vielleicht ist dieses Buch ein Anlass für Sie, nocheinmal eine Einigung mit dem Residenzverlag, meine biografischen Bücher betreffend, zu versuchen. Jung sagte, Sie hätten ihm auf einen Brief, den er vor über einem Jahr an Sie abgeschickt habe, bis heute nicht geantwortet.
Was »Heldenplatz« betrifft, sind sämtliche Vorstellungen ausverkauft und die Abende verlaufen in aller Ruhe mit der grössten Aufmerksamkeit des Publikums, das am Ende jedesmal den grösstmöglichen Beifall auf die Bühne schickt. Leider sind alle Kritiken Blödsinn, weil die Leute sich nie die Mühe machen, das Buch zu lesen, sie schauen ja nicht einmal wirklich hinein; aber das bin ich gewohnt. Die Zukunft wird gerade dieses Stück als ein ganz besonderes erkennen und mir in allen Punkten rechtgeben. Schon jetzt enthüllt sich sein Wahrheitsgehalt abendlich auf die schönste Weise. Ganz abgesehen davon, dass es auch, was meine »künstlerische« Arbeit betrifft, seinem Erzeuger Freude macht.
Ein Suhrkampspruchband-Inserat in den Zeitungen hätte ihm sicher auch nicht geschadet. 2
Sonntag den 27. geht es nach Spanien. Nach dem Sacher wäre doch ein Meer-Treffen gar nicht so abwegig. 3
Ihr
Thomas B.
1 In der Höhe, Rettungsversuch, Unsinn erscheint im Februar 1989 im Residenz Verlag. Das Manuskript entsteht bereits in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre und wird von Th. B. für den Druck stark überarbeitet. Es wird 1990 als Band 1085 in die Bibliothek Suhrkamp aufgenommen. Siehe Th. B.: Werke 11 , S. 336ff.
2 Die Uraufführung von Heldenplatz findet am 4. November 1988 am Wiener Burgtheater statt, Regie führt Claus Peymann. S. U. notiert unter diesem Datum in seiner Chronik :
»Welch ein Tag! Vormittags bei Marianne Fritz. Sie tadelt mich gleich, weil ich Bernhard als einen Übertreibungsspezialisten bezeichnet habe, was doch Bernhards eigenes Wort ist. Bernhard untertreibe, meinte sie. Die Wiener Verhältnisse seien viel schlimmer, als Bernhard sie darstelle. Das war gewissermaßen das Wort am Morgen zur Aufführung am Abend. […]
Am Abend dann die Aufführung von Bernhards ›Heldenplatz‹ an der Burg. Difficile est satiram non scribere. Zwei Monate lang skandalumwitterter Sturm. Soll das Stück verboten werden, soll Peymann Österreich verlassen? Schmutztiraden und Drohungen gegen Bernhard. Von der ›Presse‹ abgesehen, machen sich die wichtigsten publizistischen Organe ohne Erlaubnis über den unbekannten Text her, zitieren Auszüge aus Vorfassungen. Wir gehen gegen ›Basta‹ und die ›Kronenzeitung‹ rechtlich vor. Unser Anwalt, Dr. Guido Kucsko, erwirkt einen gerichtlichen Titel gegen die Zeitungen, die sich öffentlich entschuldigen müssen, aber in der Entschuldigung wieder verhöhnen.
Am Tage Demonstrationen, dann Gegen-Demonstrationen, schließlich Gegen-Gegen-Demonstrationen. Als Ulla und ich an der Burg ankommen, eine riesige Menschenmenge und Leute der Rechten, die Mist abladen wollen. Im Kartenraum stauen sich Leute, die noch Karten haben wollen. Die Aufführung findet unter Polizeischutz statt. Aber ich muß sagen: die Polizei verhielt sich äußerst vernünftig, und Uniformierte waren eigentlich nur als Ehrengäste der Aufführung sichtbar.
Pünktlich am Vormittag fuhr
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