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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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schilderte er seine neue Situation: ›In hora mortis‹.
Er glaube, daß er dieses Jahr nicht überleben werde. Seine Herzschwäche, verbunden mit einer immer deutlicheren Erweiterung des Herzens, werde immer beschwerlicher. Operationen kämen nicht mehr in Frage, es sei denn, man mache eine Herztransplantation. Dieses aber lehne er ab. Er wolle überhaupt nicht mehr ins Krankenhaus, schon gar nicht mehr in eine Intensivstation und an Schläuchen hängen. […] ›Ich gehe, wie ich gekommen bin, unbemerkt. Niemand soll von meinem Tod erfahren, beim Begräbnis sollen nur mein Bruder und meine Schwester anwesend sein, wenn diese dies wollen. Burgel Zeeh wird eine Woche später benachrichtigt.‹
Er müsse sich in die Situation einfinden, und er könne dies ja auch. Im Grunde genommen sei in seinem Leben alles hervorragend gelaufen. Was er angefaßt habe, habe sich in Gold verwandelt, in diesem Punkt sei er Siegfried Unseld gleich. Siegfried Unseld: ja, zu 90% sei er ihm sympathisch und freundschaftlich verbunden, für 10% machen er und der Verlag Scheußlichkeiten, aber es sind glücklicherweise eben nur 10%, und nach ihm käme gleich Burgel Zeeh. Im Grunde die Einzigen. Ja, er klage nicht, er habe alles erreicht, mehr könne man doch kaum erreichen. ›Das Leben ist wunderbar, die Welt großartig, wir leben in einer großen Zeit.‹
Im übrigen wolle er alles vernichten, es gäbe keinen Nachlaß.
Die Frage nach ›Neufundland‹. Ja, das Manuskript sei da, aber er müsse da noch einmal ran, und wahrscheinlich reize es ihn nicht, er könne nicht mehr mit seinen gichtigen Fingern Maschine schreiben, vielleicht noch diese oder jene Notiz mit Bleistift im Bett sitzend. […]
Als ich ihn bedränge, er möchte doch seine eigene Situation schreibend darstellen, so wie Proust es ja auch gemacht habe: Ja, den Drang zu schreiben habe er noch, ›ich könnte noch hundert Bücher schreiben, aber ich kann es nicht mehr‹.
Wie ich mir die Verwaltung seines literarischen Nachlasses vorstelle? Ich entwickele ihm die alte Idee eines dreiköpfigen Gremiums, ein Erbe, ich und ein Kritiker oder ein dem Werk Bernhards ›Aufgeschlossener‹. Darüber lachte er nur. Es gäbe keinen Kritiker und keinen dem Werk Bernhards Aufgeschlossenen. Er wolle dies auch nicht haben, sondern er wünschte sich, daß sein Bruder und ich gemeinsam diesen Nachlaß verwalten sollten, wobei er seinem Bruder gesagt habe, er warne ihn vor mir, ich sei der raffinierteste Geschäftsmann, dem man mißtrauen muß, aber andererseits brauche der Bruder nichts zu tun, weil er, Bernhard, der Meinung sei, ich mache letztlich die Sache doch zum Besten, und es hätte sich herausgestellt, das, was Bernhards Bestes sei, auch Unselds geworden ist oder / und umgekehrt. […]
Dann kam er auf Nathal (Ohlsdorf) zu sprechen, seinen Vierkanthof, sein Hauptdomizil, seinen Arbeitsplatz, wahrscheinlich seine eigentliche Heimat. Jetzt könne er nicht mehr zurück, es sei zu mühsam dort. Er könne überhaupt seine Wohnung nicht verlassen, selbst zum Essen müsse er geführt werden oder Essen müsse ihm gebracht werden. Ich könnte mir das gar nicht vorstellen. Heute sei die große Ausnahme, er sei aufgeregt, erregt, eine Erregung, die ihn aufrecht hielte.
Nathal – ich spürte, wie er auf diesen Punkt zielte —, Nathal, das wolle er in meine Hand legen, hören, was ich sage. Sage ich Nein, so würde er es eben auch an seine Verwandten geben.
Nathal also wollte er Siegfried Unseld hinterlassen. Nathal, das Gebäude, das Grundstück und die ihm gehörenden Wiesen, Felder und ein Stück Wald, insgesamt sei dies 2 Millionen DM wert, und – oh überraschendes Wunder – ich sollte dies zu einem Bernhard-Museum gestalten! Am besten wäre es, wenn man in einigem Abstand zum Haus ein kleines ›Häuserl‹ errichtete, wo ein Verwalter und die, die im Museum arbeiten wollten, wohnen könnten. Was sollen das für Leute sein, die da wohnen und arbeiten, fragte ich? Ja, nun einmal ein Verwalter, der nach dem Rechten schaut, und dann Leute, die sich vielleicht um sein Werk kümmern sollten, aber es bräuchten nicht nur Wissenschaftler sein, die das Werk von Thomas Bernhard erforschten, es könnten auch andere Gegenstände erforscht werden. Vielleicht sei es einfach wichtig, daß Leute Aufenthalt auf dem Land hätten. Ich fragte ihn, warum man da ein Haus bauen müsse, der Hof sei doch groß genug. Ja, das sei richtig, aber er wolle eben alles unangetastet lassen, es solle so bleiben, wie es

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