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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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wird, ist sie zweifellos zum posthumen Vergnügen, um nicht zu sagen zur Ehre, ein Begriff, der keine Ohrfeige mehr wert ist.
    Ich bin begierig auf Information und ich danke und grüsse
    herzlich Ihr
    Thomas Bernhard

    * in ihr gibt es allerdings wenig Brauchbares für die Zukunft!!! Aber als Erstes ja, als Geste.
    1   Das Wort ist von dritter Hand unterstrichen.

[89; Anschrift: 〈Ohlsdorf〉]
     
    Frankfurt am Main
    18. September 1969
    Lieber Thomas Bernhard,
    ich bedanke mich sehr herzlich für Ihren Brief vom 15. September. Ich kann auch nur von mir aus sagen, daß ich meinen Wagen gern wieder in Ihren Hof lenkte; und ich bin sicher, daß das im nächsten Jahr auch der Fall sein wird.
    »Watten« werden wir Ihnen bereits umbrochen am 30. September zusenden. Wir haben der Dringlichkeit wegen die Fahnenkorrektur ausgelassen. Ich höre gerne, daß Sie gut am Roman arbeiten. Wenn er die Dichte des »Midlands« auch nur annähernd erreicht, so wird er ein großes Werk.
    Zu unseren materiellen Vereinbarungen: die erste Zahlung wurde Ihnen etwas verspätet überwiesen, da die Leiterin unserer Buchhaltung in Urlaub war. Aber wir haben schon seit Tagen die Bestätigung unserer Bank für die Übersendung in Händen. Sie haben also das Geld schon inzwischen. In Zukunft werden Sie die Zahlungen pünktlich zum Monatsanfang haben.
    Unser Plan der österreichischen Bibliothek schlägt Wellen. Martin Walser hat mich wegen dieses Planes ungemein beschimpft: er sei rückwärtsgewandt, museal, diene irgendwie der Annektierung Österreichs, und ich könne mir ja schließlich einen Hofratstitel kaufen (auch hier irrt er, denn wir wissen ja, daß dieser Titel eben nicht käuflich ist). Aber es gibt andere Stimmen. Peter Handke ist angetan und wird auch sehr gerne das Nachwort zu »Sonnenfinsternis« schreiben. Auch Barbara Frischmuth ist mit von der Partie. Sie möchte »Abraham a Sancta Clara« mit einem Nachwort edieren. Hilde Spiel begrüßt im wesentlichen den Plan. Ihr fehlt aber noch die tragende Komponente. Die neue Lektorin der Insel, Frau Dr. Shaked, steht dem Plan auch sehr positiv gegenüber und macht dazu einige sehr kluge Anmerkungen. Nach den Gesprächen mit Handke und Frischmuth sieht meine Überlegung so aus, daß man vielleicht die Reihe nicht allzu groß anlegen sollte. Ich lese dies auch aus Ihrem jetzigen Brief heraus, wenn Sie schreiben, daß man eine Art österreichischer exempla classica machen sollte. Wollen wir es nicht so machen, daß wir zunächst mal mit 6 Büchern beginnen, in einem Halbjahresabstand wieder 6 Bücher vorlegen und dann sehen, was wir damit erreichen? Eine weitere Überlegung zielt darauf ab, doch auf die alten Titel der alten Bibliothek zu verzichten. Damit böge man von vorneherein den Vorwurf des Rückgewandten ab. Wie denken Sie darüber?
    Ihre Herausgebermannschaft leuchtet mir ein. Doch meine ich, Thomas Bernhard sollte auch dabeisein.
    Nun zu den einzelnen Titeln: bei Ihrem neuen Vorschlag für 1, 4, 5 und 6 stimmen wir überein. Ich war kürzlich in London und sprach mit Rush Rhees, dem Wittgenstein-Herausgeber. 1 Es gibt nach seinem Urteil kein Manuskript in direkter Beziehung zu Österreich bzw. Wien. Das entscheidende Dokument wären seine Briefe an Ficker gewesen, die aber eben veröffentlicht wurden. Man könnte jedoch eins machen. Es gibt bei uns als Band 3 der »Schriften« von Wittgenstein »Wittgenstein und der Wiener Kreis. Gespräche. Aufgezeichnet von Friedrich Waismann«. Ich könnte mir vorstellen, daß Ingeborg Bachmann aus diesem Buch ein Destillat gibt und das auch etwas kommentieren möchte. Wie denken Sie darüber?
    Über Artmann müssen wir sprechen. Könnte man nicht eine Zusammenfassung seiner Wienerischen Dichtungen bringen? Das wäre dann doch etwas mehr als »med ana schwoazzn dintn«.
    Ob man als Geste einen Band aus der alten Bibliothek bringen sollte, müßte man noch prüfen. Dann sollte es freilich ein von Hofmannsthal edierter Band sein, also etwa »Grillparzers politisches Vermächtnis«. Das sind Überlegungen. Wir wollen sie weiter bedenken.
    Herzliche Grüße
    Ihr
    Siegfried Unseld

    P. S.: Der hier beiliegende Prospekt wird in [einer] Auflage von 200 000 Exemplaren verteilt. Wir tun also was für die BS und ihre Autoren. 2
    1   S. U. hält sich am 14. und 15. September 1969 in London auf, wo er neben dem Sohn von Walter Benjamin, Stefan, auch Rush Rhees trifft.
    2   Das Faltblatt trägt auf der ersten der vier Seiten die

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