Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Überschrift »Thomas Bernhards Roman ›Verstörung‹« und wirbt mit einem Zitat von Peter Handke, dem Schlußsatz der Rezension Als ich »Verstörung« von Thomas Bernhard las (Erstdruck in: Manuskripte 21, X 67-II 68, S. 14f.; vgl. auch Th. B.: Werke 2 , S. 225f.). Auf den beiden Innenseiten sind Auszüge aus Rezensionen zu Verstörung abgedruckt. Die vierte Seite enthält neben biographischen Angaben zum Autor eine Aufstellung seiner bisher bei Insel und Suhrkamp erschienenen Werke.
[90]
Ohlsdorf
20. 10. 69
Lieber Dr. Unseld,
bitte telefonieren Sie mit der Buchhaltung und sagen Sie, dass sie bis heute für Oktober noch immer nichts überwiesen hat und dass es wichtig ist, auch in Ordnung, mir den Betrag jedesmal zu Monats anfang zu überweisen. * Was macht unser Projekt?
Ich bin für ein paar Tage in Hamburg, um mit Wendt und Peymann zu sprechen, was mir nützlich erscheint. 1
Herzlich
Thomas Bernhard
* Bitte dem Computer einfürallemal den Kopf waschen!
1 Über seine Treffen mit Ernst Wendt und Claus Peymann, die bei der Uraufführung von Ein Fest für Boris für Dramaturgie bzw. Regie zuständig sind, schreibt Th. B. am 14. Dezember 1969 an Ursula Bothe vom Suhrkamp Theaterverlag: »Mein Zusammentreffen mit Wendt in Hamburg und mit Peymann in Berlin hat auf mich den besten Eindruck gemacht. Mit den Herren kann ich reden und ich kann mir vorstellen, dass Peymann für den ›Boris‹ ein guter Mann ist. Selbst mische ich mich nicht in irgendeine Aufführung, werde auch zur Premiere [29. Juni 1970] nicht hinfahren, vielleicht dann zur 3. oder 4. Aufführung. Ein Autor auf dem Theater ist ein zersetzendes Ungeheuer, geradezu lächerlich. [. . .] Ein Autor kann ja nur wie beim Schach die Figuren aufs Brett werfen, die Regisseure stürzen sich dann darüber und setzen in jedem Falle alle Beteiligten matt. [. . .] Wie mit den Büchern, die erscheinen sollen, wenn man sie gerade fertig und weggeschoben hat, ist es mit den Schauspielen, die herauskommen sollen, wenn man sie gerade gemacht hat; dauert es zu lang, ist die Lust dahin und der Gedanke daran überzieht die Gehirninnenseite mit einem faulen Film«.
[91; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
20. Oktober 1969
Lieber Herr Bernhard,
Verträge, die mit Todesmöglichkeiten rechnen, sind immer komplizierter, als man es sich denkt. Wir mußten auch mit unserem Anwalt sprechen, und ich habe die Belehrung einstecken müssen, daß man Darlehen nicht unbegrenzt zinslos gewähren kann (denn sonst müßten Sie doch Steuern zahlen, weil dies eine gegen den wirtschaftlichen Usus gerichtete Vergünstigung wäre). Ich habe deshalb eine sehr milde Verzinsung eingesetzt (5%; der Verlag zahlt zur Zeit 8,1%). Ferner muß jedes Darlehen auch irgendwie befristet sein für die Rückzahlung, sonst stimmt der Vertrag nicht mehr.
Mein Anwalt hat sich da noch etwas anderes ausgedacht. Er meinte, ob wir Sie wohl nicht bitten könnten, zur Sicherung unserer Forderungen für einen überraschenden Fall der Fälle auch Ihre anderweitigen Honoraransprüche abzutreten. Mir ist dieser Punkt nicht sonderlich wichtig, aber ich habe ihn einmal aufgenommen. Wenn Ihnen das zu weit geht, dann streichen Sie ½ 7 und unterzeichnen den Vertrag so. Ich bin auch damit einverstanden.
Herzliche Grüße
Ihr
Siegfried Unseld
Anlage
[Anlage; Typoskript; Durchschlag]
Vertrag
Zwischen
Herrn Thomas Bernhard, A 4694 Ohlsdorf / Obernathal, Österreich
und
Herrn Dr. Siegfried Unseld als Komplementär der Verlage Insel und Suhrkamp, 6 Frankfurt / Main, Lindenstraße 29-35
wird folgende Vereinbarung getroffen:
I.
1.
Thomas Bernhard ist mit Dr. Unseld übereingekommen, daß alle Rechtsbeziehungen, die zwischen Thomas Bernhard und dem Insel Verlag und dem Suhrkamp Verlag bestehen, auf den Suhrkamp Verlag übertragen werden. Dies gilt rückwirkend auch für Darlehen und Zahlungen des Insel Verlages an Thomas Bernhard. Diese Regelung braucht nicht zu bedeuten, daß in Zukunft alle Bücher von Thomas Bernhard automatisch im Suhrkamp Verlag erscheinen, vielmehr bestimmen Thomas Bernhard und Dr. Unseld gemeinsam, in welchem Verlag und in welcher Publikationsform die künftigen Arbeiten erscheinen sollen.
2.
Die Verlage Suhrkamp und Insel haben, um Thomas Bernhard eine materielle Basis für seine schriftstellerischen Arbeiten zu sichern, Thomas Bernhard ein Darlehen und Honorarvorauszahlungen geleistet und erklären sich auch weiterhin zu solchen
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