Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
aus diesem Vertragsvorschlag eine Unverschämtheit. Was die in dem Vertrag angeführten Kontoziffern- und Zahlen betrifft, kann ich auch nicht glauben, dass sie stimmen, bei der mir bekannten Schlampigkeit der Buchhaltung des Verlages, aber ich habe mich damit abzufinden. Der Zustand zwischen mir und dem Suhrkamp-Inselverlag also bleibt wie er ist. Dazu kommt aber folgendes:
Ich werde dem Verlag kein neues Manuskript mehr schicken, solange der Verlag meine Schulden bei Inselsuhrkamp nicht komplett abgedeckt hat mit jenen meiner Arbeiten, die bis heute im Inselsuhrkampverlag erschienen sind, einschliesslich meines Schauspiels »Ein Fest für Boris«. Erst wenn ich völlig schuldenfrei bin, kann ich Ihnen wieder ein Manuskript in die Hand geben.
Dazu: tilgt der Verlag mit meinen an Suhrkampinsel festgebundenen bisherigen Arbeiten meine Schuld vollständig, so geht die Zusammenarbeit weiter. Tilgt der Verlag meine – relativ geringe! – Schuld nicht innerhalb von längstens zwei Jahren, so erscheint mein nächstes Buch nicht mehr bei Suhrkampinsel, sondern in einem anderen Verlag.
Der Suhrkampinselverlag kann aber, ist er nicht in der Lage, meine Schulden mit meinen im Verlag sich befindlichen Arbeiten in dem Zeitraum von zwei Jahren zu tilgen, die Schuld insgesamt von mir jederzeit zurückverlangen, womit ich dann vollkommen frei bin. Es ist mir jederzeit möglich, die Geldsumme zur Verfügung zu stellen.
Wenn ich Ihnen sage, dass ich mit meinem kurzen Buch »An der Baumgrenze«, das im Residenzverlag, Salzburg, erschienen ist, von März 1969 bis heute mehr verdient habe, als mit allen meinen wichtigen Arbeiten zusammen bei Suhrkampinsel im Zeitraum von sechs Jahren, so glaube ich, dass in der Verlagspraxis des Suhrkampinselverlages etwas nicht stimmt. Ersparen Sie mir Details.
Auch bin ich vor den Kopf gestossen, erstaunt, abgestossen, dass der Verlag Jahresstipendien in der Höhe von zwölftausend Deutschen Mark vergibt und das überall herumpubliziert und dadurch landauf und landab den Anschein erweckt, er sei ein Förderer und grosszügiger Walter und Verwalter seiner Autoren und deren Arbeiten, wenn ich weiss, dass ich selber von diesem Verlag in vielen Jahren bis heute nicht einen Groschen »geschenkt« bekommen habe. Ersparen Sie mir aber wieder Details. Es ist unmöglich, dass ich ununterbrochen mehr oder weniger angestrengt und also schwer arbeite für eine Bezahlung, die haarsträubend ist (editionsband 2.000.— Mark pauschal etcetera!!) und auf die ich mich unter gar keinen Umständen mehr einlasse. Ich kann das lächerliche Angebot des Suhrkampinselverlages nicht einen Augenblick länger akzeptieren. Ich glaube aber, dass eine Korrespondenz über dieses ganze Thema sinnlos ist und dass nur ein Gespräch, das hier zu führen ist, Wert hat.
Ihr Besuch hier war erfrischend, Ihre komplette Inkonsequenz aber ist erstaunlich.
Herzlich Ihr
Thomas Bernhard
[94; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
6. November 1969
Lieber Herr Bernhard,
ich habe Ihren Brief vom 1. November sorgsam gelesen. Sie verhalten sich unvernünftig, ungerecht, unfair.
Was ist denn geschehen? Wir besprachen bei meinem Besuch, daß wir unter alle bisherigen Zahlungen eine Art Strich ziehen, d. h., die Verlage Insel und Suhrkamp werden sich in der Tat bemühen, durch auflaufende Honorare bisher übertragener Werke die bisher gezahlten Gelder abzudecken. Das war der Einsatz der Verlage. Dem gegenüber stand Ihr Einsatz, daß Sie, für den Fall, Ihnen würde etwas widerfahren, die Honorareinkommen an die Verlage übertragen. Ist das denn so kompliziert? Daß ich einen Juristen bemühte bei einem etwas schwierigen Vertrag, das sollten Sie doch einsehen, denn Sie müssen sich hierzu nicht nur verbal, sondern auch de jure Ihren Erben gegenüber verpflichten. Ich kann darin keine »Unverschämtheit« erblicken. Wir beide verpflichten uns zu etwas und müssen zu dieser Verpflichtung stehen.
Ich gehe jede Wette mit Ihnen ein: Sie irren sich, daß das Buch »An der Baumgrenze« im Residenz Verlag Ihnen mehr eingebracht hat als alle Arbeiten in den Verlagen Insel und Suhrkamp zusammen. Wenn Sie das wollen, tragen wir’s ganz schnell miteinander aus, und Sie werden sehen, wie Sie sich irren. Außerdem, nach den Insel-Suhrkamp-Publikationen ist es für jeden Verlag leichter.
Und bitte seien Sie nicht empfindlich wegen des Suhrkamp-Dramatiker-Stipendiums. Das gilt jungen unbekannten Dramatikern, aber doch keinesfalls einem Mann
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