Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
allem zweifle, ist eine andere Frage. Es ist wahrscheinlich alles immer das Gleichgewicht von Kühnheit und Zweifel.
In »Watten« habe ich so viele Fehler entdecken müssen, die aber bei einer weitern Ausgabe alle ausgemerzt werden können. Kleinigkeiten könnten mich wahnsinnig machen, wüsste ich nicht, dass das Unsinn ist, für einen Buchstaben sich tagelang zu verzweifeln. Wenn Sie eine sogenannte Sammelausgabe machen, dann bitte ich, sich dabei auf die drei Prosastücke, »Amras«, »Ungenach«, »Watten« zu beschränken, das gibt einen stattlichen Band, der geschlossener ist als jede andere Möglichkeit.
Von »Boris« hätte ich gern die Fahnen, weil in dem Bühnenabzug noch Fehler enthalten sind.
Meine Vorstellung beinhaltet nach dem »Kalkwerk«, im nächsten Hintergrund, das Theaterstück, einen weiteren Roman, der zwei Jahre in Anspruch nehmen wird, den ich zur Gänze, alle Offenheit und das heisst mit allen Möglichkeiten des Phantastischen, im Kopf habe; dann eine grössere Arbeit auf mehrere Jahre. Mehr weiss ich nicht. Das ist aber genug und fällt mir sicher ausser auf meinen Kopf noch viele Jahre mit der grössten Rücksichtslosigkeit auf die Nerven.
Für die geschenkten Bücher danke ich vorzüglich.
Mit Hölderlin aber geht es mir wie mit einem schönen kalten Jüngling, der immer tot gewesen ist.
Das kommende Jahr sage ich alle versprochenen Vorlesungen ab und nehme keinerlei Einladung für irgendetwas an. Die Redereien und Selbstdarstellungen hasse ich.
Sie haben Ursache stolz zu sein. 2
Herzlich Ihr
Thomas Bernhard
1 Der Reisebericht von S. U. über das Ohlsdorfer Treffen am 22. November lautet:
»Er hatte auf meinem Besuch bestanden, damit wir unsere Beziehung definitiv regeln; den vom Anwalt entworfenen Vertrag lehnte er kategorisch ab. Wir haben dann gemeinsam eine 12zeilige Vereinbarung entworfen und unterschrieben, die rechtsverbindlichen Charakter hat [siehe S. 152]. Daraus ergeben sich gewisse Konsequenzen, die zu besprechen sind.
Die nächsten Publikationspläne:
1. ›Ein Fest für Boris‹
in der e. s. zum Termin der Uraufführung, wahrscheinlich also Mai 1970.
2. Sein neuer Roman mit dem Titel ›Das Kalkwerk‹ liegt in der dritten Niederschrift vor. Er schreibt das noch einmal durch. Ende Februar 1970 erhalten wir das Manuskript. Erscheinungstermin: 3. Programm 1. Juli 1970.
3. BS-Band ›Midland in Stilfs‹ Oktober 1970.
Der Band enthält drei Texte:
1. ›Der Wetterfleck‹
2. ›Midland in Stilfs‹
3. ›Am Ortler‹.
Die Texte 1 & 3 erhalten wir im Juli 70, ›Midland in Stilfs‹ kann so gebracht werden wie in den ›Akzenten‹.
4. Neben allen Prosaarbeiten entsteht ein 2. Stück; er will es bis Ende 70 geschrieben haben.
5. Für 1971 können wir entweder als Band der Bücher der 19 [Zwischen 1954 und 1972 publiziert der Zusammenschluß von 19 Verlagen 209 preisgünstige Bände mit einer Auswahl aus dem Werk des Autors. Die Bücher sind mit einem eigenen Signet versehen.] oder als Suhrkamp-Hausbuch [Zwischen 1953 und 1975 erscheinen besonders preisgünstige, umfangreiche Bücher mit der Bezeichnung »Hausbuch«, um Taschenbuch- bzw. Buchklubausgaben Konkurrenz zu bieten.] eine Art ›Thomas Bernhard Reader‹ planen. Er enthält die Erzählungen ›Amras‹, ›Ungenach‹, ›Watten‹. Ein Opernlibretto (erschienen bei S. Fischer) [ die rosen der einöde , 1959 publiziert]. Das Hörspiel ›Der Berg. Marionetten als Menschen‹ [siehe Anm. 1 zu Brief 117] u. a. Texte.
Er sei ›wütend‹ wegen der biographischen Angaben im es-Band ›Watten‹ (ließe Busch herzlich grüßen). Warum ausgerechnet nur die Preise vermerkt würden, die er hasse, und nicht die anderen auch. Entweder gar keinen Preis oder alle. Auf S. 57 sei ein bitterer Satzfehler (er ließe Herrn Busch herzlich grüßen). Ein Satz sei nicht zu Ende geführt: ›Jetzt, da er einwilligte . . .‹ und statt ›Baracken‹ stünde ›Baracke‹. Er läßt Herrn Busch herzlich grüßen.
Thomas Bernhard erhält in Zukunft die »es« und BS vollständig (Fr. Kalow). An ihn sind ferner die letzten Bände der sammlung insel zu schicken sowie Schmögner, ›Drachenbuch‹ und ›Pluderlich‹; Joyce, ›Briefe‹ und ›Dubliner‹ (erl. ge[isler]. —«
Die im Reisebericht erwähnte, von Th. B. auf der eigenen Schreibmaschine getippte und von ihm wie S. U. unterzeichnete Vereinbarung hat den Wortlaut:
»Thomas Bernhard und Dr. Siegfried Unseld haben heute,
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