Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
von Ihrem Rang! Das wäre doch einfach ein Witz und Ihrer nicht würdig. Es ist auch nicht wahr, daß wir Ihnen nicht einen »Groschen« geschenkt haben, wörtlich ja, aber im übertragenen Sinn stimmt es doch nicht. Warum anerkennen Sie nicht, daß der Insel Verlag Ihnen damals dieses Darlehen in Höhe von DM 40.000.— gegeben hat? Rechnen Sie doch bitte einmal, daß der Insel Verlag dafür jährlich DM 3.200.— an Zins aufbringen muß. Ich hätte nie davon gesprochen, aber Sie selber reagieren kleinlich und empfindlich.
Noch einmal: ziehen wir einen Strich unter die ganze Angelegenheit. Mir ist wichtig, daß Sie diese eine Erklärung rechtsverbindlich für Ihre Erben abgeben (für den Fall, Ihnen geschähe etwas, können wir zur Abdeckung der bisher gezahlten Gelder die Honorare verrechnen). Nur darum geht es. Im übrigen sprechen wir hier, da stimme ich ganz mit Ihnen überein, von einem kurzen Zeitraum von 2, 3 Jahren. Ich bin sicher.
Sie haben einen weiteren Punkt vergessen: wir haben vereinbart, daß Ihnen monatliche Zahlungen geleistet werden. Zwei dieser Zahlungen sind Ihnen zugegangen; die Ihnen überwiesenen Summen für Ihre Steuer und diese monatlichen Zahlungen sind klare Vorauszahlungen auf kommende Bücher. Bedenken Sie das bitte.
Im übrigen haben Sie ganz recht, wir sollten uns doch noch einmal zusammensetzen. Ich tue das sehr gern, weil ich unser letztes Gespräch in allerbester Erinnerung habe und meine, daß wir uns darin persönlich doch etwas nähergekommen sind. Also: wann sind Sie wieder in Wien? Wie wäre das Wochenende 15./16. November? Falls Ihnen dieser Wochenend-Termin angenehm ist, dürfte ich dann wegen meiner Dispositionen um ein Telegramm bitten? Sie sehen, mir ist das wichtig.
Soeben erhalten wir die ersten Exemplare von »Watten«. Ich schicke Ihnen mit getrennter Post ein Exemplar zu, weitere folgen. Insgesamt können Sie über 45 Freiexemplare verfügen. Wir druckten eine erste Auflage von 9.000 Exemplaren. Zwei andere Titel in der edition werden neu aufgelegt; im Mai 1970 folgt »Boris« in der edition.
Herzlich
Ihr
Siegfried Unseld
[95; Telegramm]
Gmunden
10. 11. 69
erwarte sie wochenende ohlsdorf erbitte telegramm herzlich = bernhard
[96; Anschrift: Ohlsdorf; Telegramm]
Frankfurt am Main
12. November 1969
wien wäre mir doch lieber stopp wir könnten uns auch am wochenende 22./23. in wien treffen stopp bitte noch einmal um telegraphischen bescheid
gruß unseld
[97; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
14. November 1969
Lieber Herr Bernhard,
ich habe leider von Ihnen keine Nachricht mehr erhalten, vielleicht konnten Sie Ihre Dispositionen für das Wochenende 22./23. 11. noch nicht treffen. Ich habe meine Reise deswegen verschoben; wenn ich eine Gelegenheit habe, Sie in der nächsten Woche zu treffen, könnte ich es einrichten. Lieb wäre mir aber wirklich, wenn wir uns in Wien treffen könnten. Sie sagten mir ja, daß Sie praktisch jede Woche einmal in Wien sind, und vielleicht können Sie es doch einrichten, daß wir uns dort sehen. Ohlsdorf bedeutet ja zwei Reisetage für mich.
Schöne Grüße
Ihr
Siegfried Unseld
[98; Telegramm]
Gmunden
18. 11. 69
samstag sonntag wien tel 3650842 herzlich = bernhard
[99; Anschrift: Ohlsdorf; Telegramm]
Frankfurt am Main
18. November 1969
komme sonnabend 22. november nach ohlsdorf stop erbitte ihren anruf donnerstag vormittag – gruß unseld
[100]
Ohlsdorf
16. 12. 69
Lieber Doktor Unseld,
eine gründliche Beruhigung geht noch heute von Ihrem Besuch aus, ich arbeite und denke ab und zu, wie gut dieser Ihr Besuch sich auf meine ganze Konstitution ausgewirkt hat, dass ich jetzt rascher mit dem Buch vorwärts komme, andrerseits gibt mir jede Stunde die Gewissheit, dass das, was ich jetzt mache, alles nur der Anfang sein kann, von was, weiss ich nicht und es ist das beste, das und vor allem nichts zu wissen. 1 Wenn ich das Buch fertig habe, kommt ein Theaterstück, ist es auch mit den Aufführungen selbst immer eine zweite Komödie, vielleicht zu der zweiten, dass sich die Aufführung so lange bis zum Ekel hinauszögert, auch noch die dritte der Aufführung selbst und in Wahrheit löst wahrscheinlich jedes Stück fürs Theater eine unendliche Folge von Komödien aus, wie wir sehen, haben alle Tragödien bis heute immer eine Flut von Komödien ausgelöst. Für Ihren Besuch danke ich!
Die Winterintensität ist mir zur Arbeitsintensität geworden. Dass ich stündlich an
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