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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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Grüße
    Ihr
    [Siegfried Unseld]

    Ad Buchmesse
    Ich habe eben die schwedischen Rechte am »Kalkwerk« vergeben können (Norstedts Förlag).

[131; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    20. Oktober 1970
    Lieber Herr Bernhard,
    ich fand es sehr angenehm, daß wir etwas länger zusammensein konnten, und wir sollten solche Treffen von Zeit zu Zeit wiederholen.
    Die Wirkung des Büchner-Preises ist nach wie vor sehr schön. Der Buchabsatz hat sich belebt. Wir werden in Kürze eine zweite Auflage des »Kalkwerks« drucken. 1
    Nun darf ich Sie noch einmal an »Midland« erinnern. Ich wäre froh, wenn ich die Texte bald erhielte.
    Anbei erhalten Sie die in Frankfurt unterschriebenen Verträge sowie eine Tantiemenabrechnung.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ihr
    Siegfried Unseld
    1   Die Überreichung des Georg-Büchner-Preises der Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt an Th. B. findet am 17. Oktober 1970 statt. Die Verleihungsurkunde trägt den Text: »Den unablässigen Vorgang der Zerstörung individuellen Lebens hat er in einer anscheinend beruhigten Prosa aufgespürt und als Roman und Erzählung in den Zusammenhang der latenten Krankheiten unserer Zeit gebracht.« In seiner Laudatio (abgedruckt in: Jahrbuch 1970 der Akademie) erklärt Günter Blöcker: »[. . .] Wenn ich mit einem einzigen kurzen Satz sagen sollte, wodurch Thomas Bernhard uns [. . .] wichtig, ja unentbehrlich ist, so hätte dieser Satz zu lauten: er stört uns in unserer falschen Sicherheit.« Die Dankrede von Th. B. setzt so ein: »Verehrte Anwesende, wovon wir reden, ist unerforscht, wir leben nicht, vermuten und existieren aber als Heuchler, vor den Kopf Gestoßene in dem fatalen, letzten Endes letalen Mißverständnis der Natur, in welchem wir heute durch Wissenschaft verloren sind [. . .].« (Th. B.: Meine Preise , S. 123; seine Wahrnehmung der Preisverleihung findet sich im selben Band S. 109-114.)
Die auf den 21. Oktober 1970 datierte Notiz von S. U. Gespräch mit Thomas Bernhard aus Anlaß seines Besuches in Frankfurt im Anschluß an die Entgegennahme des Büchner-Preises vermerkt:
»Thomas Bernhard besuchte Darmstadt und Frankfurt zur Entgegennahme des Büchner-Preises gemeinsam mit seiner Tante, Frau Stavianicek. Die Dame hatte am 18. Oktober ihren 74. Geburtstag und wurde beim Mittagessen, das die Stadt für den Büchner-Preisträger gab, mit einem Rosenstrauß geehrt.
Zu seinen eigenen Plänen äußerte sich Thomas Bernhard so: ›Midland in Stilfs‹ – Erzählungen – sind fertig; er wird sie uns Ende November schicken.
Dann arbeitet er ausschließlich an seinem neuen Stück, einer Komödie, deren Titel noch nicht feststünde; er will sie im Winter abschließen.
Daran anschließend arbeitet er an dem für die e. s. vorgesehenen Band ›Atzbach. Vorschriften‹. Atzbach ist der von Bernhard ausgedachte Name eines Irrenasyls, in dem Leute nach Vorschriften geatzt werden.
Im Anschluß an diesen Text, der auch schon ziemlich weit vorliegt, schreibt Thomas Bernhard seinen nächsten Roman, den er bis April 1971 abgeschlossen haben möchte; es ist jener Roman, der in einer österreichischen Papierfabrik spielt.«

[132; Anschrift: 〈Ohlsdorf〉]
     
    Frankfurt am Main
    26. Oktober 1970
    Lieber Herr Bernhard,
    eben erschien bei Knopf die englische Übertragung der »Verstörung« unter dem Titel »Gargoyles«. Das ist ein sehr schönes Buch geworden. Wir schicken Ihnen die sechs Belegexemplare zu. Hoffen wir, daß wir auch bald Abschlüsse mit dem »Kalkwerk« verzeichnen können.
    Schöne Grüße
    Ihr
    Siegfried Unseld

[133]
     
    Ohlsdorf
    27. 10. 70
    Lieber Herr Dr. Unseld,
    die eingehende Lektüre des »Kalkwerk«-Vertrages, den ich in Frankfurt unterschrieben habe, lässt mich die Unterschrift unter diesen Vertrag mit sofortiger Wirkung zurückziehen. Es sind Sätze in dem Vertrag enthalten, die ich unter keinen Umständen akzeptieren kann und ich bitte Sie, meine Unterschrift unter den Vertrag als nicht geleistet zu betrachten und mir das unterschriebene Exemplar des »Kalkwerk«-Vertrages nach Ohlsdorf zu schicken. Dasselbe gilt für den »Watten«-Vertrag.
    Meine Deutschlandfahrt kann, alles in allem, als eine deprimierende Bestandsaufnahme aller Zustände betrachtet werden, mit welchen ich zwischen Passau und Lübeck konfrontiert worden bin. Der Unsinn und die mit dem Unsinn gemeinsame Sache machende Dummheit, mit welcher noch nie soviel Staat zu machen gewesen ist wie heute, ist erschreckend in

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