Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Festspielen vom Suhrkamp Verlag – und nur vom Suhrkamp Verlag – übertragen. Der Verlag allein ist Partner für diesen Vertrag. Ein Autor könnte allenfalls aus seinem Persönlichkeitsrecht heraus zu einem Verlangen auf Unterlassung legitimiert sein; das hat Thomas Bernhard nicht geltend gemacht. Wir wiederholen deshalb unsere Forderung auf sofortige Zahlung der Restsumme von DM 20.000.— und bitten auch, die Verhandlungen für weitere Aufführungen nicht abbrechen zu lassen.
Wir behalten uns weiterhin vor, Schadenersatzforderungen gegenüber den Salzburger Festspielen zu erheben, für den Fall, daß die vorgesehene Fernsehaufzeichnung durch den ORF nicht vorgenommen werden kann. Diese Aufzeichnung war vereinbart, und Verhandlungen über Sendungen auch bei deutschen Fernsehanstalten sind geführt. Das Ausmaß dieser Schadenersatzforderungen können Sie sich selber ausrechnen.
Ich bedauere außerordentlich diesen Vorgang, nicht nur des großen materiellen Verlustes wegen, den alle Beteiligten, auch die Salzburger Festspiele, erleiden. Noch größer scheint mir der immaterielle Verlust zu sein, indem durch diese Entscheidung die Verbreitung eines so bedeutenden Stückes in einer so bedeutenden Aufführung verhindert wird. Ich persönlich bin auch der Meinung, daß sich im Gespräch mit den Beteiligten ein Weg hätte finden lassen. Leider gaben Sie dem Suhrkamp Verlag keine Möglichkeit, in dieser Sache zu vermitteln. Ich bin nach wie vor und zu jeder Zeit zu dieser Vermittlung bereit.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Siegfried Unseld
1 Am 7. August 1972 schreibt Josef Kaut auf dem Briefpapier des Präsidenten der Salzburger Festspiele »recommandé« an den Suhrkamp Verlag:
»Sehr geehrte Herren!
Wie Sie wohl bereits der Presse entnommen haben werden, hat Herr Peymann, unterstützt von Herrn Thomas Bernhard, die zweite Aufführung von ›Der Ignorant und der Wahnsinnige‹ verhindert. Ich darf darauf verweisen, daß sich schon während der Probenzeit mit Herrn Peymann die größten Schwierigkeiten ergeben haben und daß unser technisches Bühnenpersonal sogar in Streik getreten ist, nachdem es von Herrn Peymann als ›Arbeitergesindel‹ angesprochen worden war. Nachträglich können wir es nur bedauern, daß wir dem Wunsch von Herrn Thomas Bernhard und Ihres Verlages gefolgt sind und Herrn Peymann als Regisseur verpflichtet haben.
Wir haben nunmehr durch unseren Rechtsvertreter den Vertragsbruch des Herrn Peymann und von vier Mitwirkenden feststellen lassen, womit die Verträge aufgelöst und weitere Vorstellungen nicht mehr möglich sind. Die Rolle von Thomas Bernhard bei der Verhinderung weiterer Aufführungen wird derzeit von unserem Rechtsvertreter anhand der Telegramme und öffentlichen Äußerungen des Herrn Thomas Bernhard geprüft. Sie werden dafür Verständnis haben, daß wir weitere Honorarzahlungen nicht leisten werden, bis der Tatbestand geklärt sein wird.
Wir bedauern es besonders, daß unsere aufrichtige Bemühung um das Werk Thomas Bernhards vom Autor selbst und seinen Freunden so wenig anerkannt worden ist, und ich glaube, daß die Herren dem zeitgenössischen Schauspiel in Salzburg einen sehr schlechten Dienst erwiesen haben.«
[203; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
10. August 1972
Lieber Thomas Bernhard,
haben Sie herzlichen Dank für Ihren Brief vom 8. August.
Ich habe es ganz so empfunden wie Sie und spüre das Besondere des Falles einer einmaligen Aufführung. Aber unsere Zeit ist nicht dafür geschaffen, solche Triumphe öffentlich zu feiern. Wir sollten sie für uns behalten, wissend, daß sie dann erst recht weiterwirken werden.
In der Zwischenzeit hat Sie die Kopie meines Briefes an Herrn Kaut erreicht. Ich bin sicher, daß wir in der Haltung übereinstimmen. In der Tat könnte der Vertrag gefährdet sein, wenn Sie bei Ihren Interventionen Ihr »Persönlichkeitsrecht« expressis verbis geltend gemacht hätten. Das haben Sie aber nicht. Insofern besteht der Vertrag, und Salzburg muß zahlen. Aber, es wird eine gerichtliche Auseinandersetzung geben, und hier, in diesem einen Punkt, bin ich anderer Meinung als Sie: ich glaube, Peymann wird verlieren. Doch, wie dem auch sei, wir müssen vielleicht gelegentlich getrennt taktieren, aber doch Gemeinsames denken.
Ich danke Ihnen für Ihr Einverständnis zu meinem Brief vom 2. August 1972. Sie dürfen sicher sein, daß auch diese Rechnungen aufgehen werden. Die vereinbarten DM 20.000.— schicke ich Ihnen auf der
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