Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Brief vom 3. November.
Wie ich schon Herrn Dr. Rach sagte, brauche ich eine »vollkommene detaillierte« Honorarabrechnung des Jahres 1971, die mir von Rach, dann jetzt von Ihnen übermittelte kann ich nicht akzeptieren.
Bitte schicken Sie mir eine solche Abrechnung in allen Details, enthaltend alle, sämtliche »Posten«, wie Theateroptionen, Nachdrucke, Rundfunksendungen, Üebersetzungsrechte Gallimard, Schweden etcetera, »Spectaculum«, Taschenbuchausgaben etcetera, binnen einer Woche. Ihre »Abrechnung« enthält keines dieser Details.
Ohne eine solche genaueste Abrechnung kann ich keinerlei Entschluss, unsere weitere Zusammenarbeit betreffend, fällen. Erst nach einer solchen genauesten Aufstellung in allen, auch den unbedeutendsten Punkten, kann ich auf Ihre Vorschläge eingehen.
Herzlich Ihr
Thomas Bernhard
[217]
Ohlsdorf
7. 11. 72
Lieber Herr Dr. Unseld,
meinen gestrigen Brief ergänzend, bitte ich selbstverständlich um eine genaueste Abrechnung meines Kontos nicht nur für 1971, sondern über das ganze Jahr 71 1 bis heute.
Darüber hinaus ersuche ich um die genauen Vertragsbedingungen, zu welchen Sie mit dem ORF-Fernsehen, »Der Ignorant und der Wahnsinnige« betreffend, abgeschlossen haben, sowie um die Kopien der vollständigen Korrespondenz des Verlags mit dem ORF in diesem Punkt.
Herzlich
Thomas Bernhard
1 Th. B. meint wohl das Jahr 1972.
[218; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
16. November 1972
Lieber Herr Bernhard,
ich bestätige Ihren Brief vom 7. 11. Die Abrechnungen des Kontos wird Ihnen Frau Roser geben, 1 die Vertragsbedingungen mit dem ORF-Fernsehen sind von der Universaledition definiert worden: Sie wissen ja, in welcher Eile dies letztere gehen mußte. Im übrigen trennen wir uns vom nächsten Jahr an von der Universaledition und vertreten unsere Rechte in Österreich selber.
Es ist schade, daß ich Sie am Dienstag in Salzburg nicht treffen konnte. Man hätte doch bei dieser Gelegenheit einiges besprechen können.
Schöne Grüße
Ihr
(Herr Dr. Unseld ist nach dem Diktat zur PEN-Tagung geflogen) 2
i. A.
Renate Steinsiek
1 Am 17. November 1972 schickt Lina Roser Th. B. diese Kontoaufstellungen.
[219]
Ohlsdorf
22. 11. 72
BRIEF EINS
Lieber Doktor Unseld,
am letzten Dienstag ist es mir unmöglich gewesen, nach Salzburg zu fahren und Sie zu treffen, eine solche Begegnung ist überfällig aus allen Gründen und ich wünsche im Augenblick nichts mehr, als mit Ihnen aufundabgehend unklare Gedanken zu klären, Verwirrendes zu entwirren und das Selbstverständliche und das Notwendige im Hinblick auf unser beider Zukunft als Zusammenarbeit wieder einmal auf längere Zeit mit Offenheit, Ehrlichkeit und Bedachtsamkeit zu fixieren.
Die Unruhe und die Zweifel und der oft überraschend eintretende scheinbare Zerfall eines Verhältnisses schaden nicht, wenn dadurch zeitgemässere Gedanken ausgelöst, neue Geleise gelegt werden können. Auch sind wir, glaube ich, an einem Punkt angelangt, an welchem ein radikaler Strich zwischen Vergangenheit und Zukunft gezogen werden muss. Eine Vielzahl von absoluten Unwichtigkeiten im Detail, die das Konzept auf das widerwärtigste stören, gehören ausgeräumt, der Kleinlichkeit, Lächerlichkeit, gebührt keine Aufmerksamkeit.
Die grössere Linie ist zu deutlich, als dass ich mich von vergangenen Lästigkeiten, vielleicht auch Enttäuschungen (auf beiden Seiten), die aber alle nicht umwerfend sind, von jetzt an noch irritieren lasse und ich denke, das ist auch Ihr Gedanke und ich glaube der Aufenthalt auf den kleinen und kleinsten Stationen gehört gestrichen, damit unser Zug, wenn auch nicht mit der kopflosen Höchstgeschwindigkeit, so doch mit entsprechender und mit grösstmöglicher Sicherheit sein Ziel erreicht. Dieser Satz in Kenntnis der Tatsache, dass keinerlei Ziel erreichbar ist.
In diesem Brief gehe ich auf das einzige nennenswerte Problem, das zwischen uns existiert, das Finanzproblem, nicht ein, das Finanzproblem ist Inhalt von Brief zwei, der diesem Brief eins angeschlossen ist, diese Zeilen müssen, will ich, von dem Finanzproblem getrennt sein. Es ist aber notwendig, dass das Thema Finanzen jedenfalls wieder auf zwei Jahre endgültig gelöst ist und ich hoffe, noch in diesem Jahr.
Über allen Tatsachen dürfen wir nicht vergessen, dass es doch solche sind, die letztenendes zu fundamentaler Erschütterung keinerlei Anlass sind.
In Brief zwei mache ich Ihnen einen, wie ich nach
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