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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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erpresste mich mein Nachbar (aus verständlichen Gründen) mit dem Bau einer Schweinemastanstalt vor meinen Fenstern, Kostenpunkt der Abwehr an die 200.000 Schilling, wovor mich kein noch so heuchlerisches Umweltschutzgesetz schützt, 1 eine einmal übernommene, jetzt fällige Bürgschaft etcetera . . . Ich will mir und Ihnen Details ersparen. Aber diese Dinge wären, so unangenehm sie sind, doch nach meinem Konzept, das niemanden geschädigt hätte, aus dem Weg geräumt.
    Sie selbst wissen genau, dass ich mit meiner Prosaarbeit, die ich nach wie vor als die wichtigste meiner Arbeiten einschätze, und mit welcher ich jahraus, jahrein beschäftigt bin, nicht einmal die Lohnhöhe meines Nachbarn, der als Hilfsarbeiter in der Schottergrube arbeitet, erreiche, ein Umstand, mit dem ich mich abgefunden habe, mir ist meine Arbeit zu wichtig, ja lebenswichtig, aber dass ich gegenüber Riesenunternehmungen, staatlichen Verdummungsanstalten wie Rundfunk und Theater, die in ihrer ganzen Struktur nichts anderes als ausbeuterische Monumentalunternehmen der allgemeinen Geistesschwäche sind, gigantische Bollwerke der Geschmacklosigkeit, die jährlich Milliarden zum Fenster hinauswerfen zu dem einzigen Zweck, die Völker Europas und die andern zu betrügen, dass ich mich also diesen verlogenen Kulturmammutunternehmungen, also Rundfunk und Theatern gegenüber in einer Art unseligen perversen, durch nichts zu rechtfertigenden und zu entschuldigenden Autorenohnmacht befinde, dulde ich nicht länger, das ist mir unerträglich und damit finde ich mich naturgemäss nicht ab. Bevor ich einem einzigen Theater oder einem einzigen Rundfunk auch nur einen Schilling schenke, diesen mondänen und monumentalen Kulturrechtsbrechern zwischen Stavanger und Brindisi, mache ich völlig kostenlos hundert Vorlesungen, verbunden mit den abscheulichsten aller Grimassenschneidereien, nämlich des sogenannten freien Schriftstellers in allen nur möglichen Strafanstalten, Irrenhäusern, Altenheimen und Kindergärten und habe mein Vergnügen daran. Das zur Zurechtrückung des Ganzen. Ich empfinde es abstossend, dass das Schauspielhaus Hamburg für die Uraufführung meines »Boris« ganze DM 1.341.01 verrechnet (nulleins wohlgemerkt), diese Tatsache ist, das sagt mein in der Mathematik unverdorbener Kopf, eine Gemeinheit, hinter welcher, mit vorgehaltener Hand (die des Theaterdirektors und aller Kultursenatoren) die Niedertracht steht. Diese Liste der Niedertracht und der von ihr hervorgerufenen Abscheu lässt sich fortsetzen nach Belieben: Schauspielhaus Zürich, »Boris« DM 605.97, Schauspielhaus Graz DM 570.34 etcetera. Ganz abgesehen von den Nebenrechten in Prosa, die genau in dieses Charakterbild der Kulturwelt passen. Mit dieser Kulturwelt habe ich aber nichts zu tun. Mich interessiert nicht, dass an hundert Theatern meine Arbeit um ein Butterbrot verhunzt und meine Ideen verniedlicht, verzerrt und in den Intendanten- und Schauspielerdreck gezogen werden landauf-landab, daraus entsteht für mich nichts als Ärger, ich konzentriere mich nur auf ein, oder auf zwei hervorragende Ensembles, mit welchen ich annähernd verwirklichen kann, was ich denke und wo ich dann auch das Geld bekomme, das entsprechend ist. Das betrifft meine Stücke. Was die Prosa betrifft, bin ich nur daran interessiert, dass sie in korrekten, fehlerfreien, mir dadurch Freude machenden Ausgaben im Suhrkampverlag erscheinen; es liegt mir nichts daran, ob der und der Rundfunk daraus etwas auf unerträgliche Weise in die Welt hinauskräht für DM 22.87 oder ob die oder die Zeitung daraus etwas für ihre blödsinnigen Leser für DM 13.74 abdruckt. Meine Ansicht ist die, dass mein Name nicht selten genug in Zeitungen und Rundfunk genannt werden kann. Höre ich meinen Namen aus dem Rundfunk, sehe ich mich im Dreck liegen, lese ich meinen Namen in der Zeitung, glaube ich, ich bin in einer Kloake.
    Zurück zu den Kontoauszügen, für die ich mich bei Frau Roser sehr herzlich bedanke. Sie sind korrekt geführt, meine Bewunderung. Aber ich würde es nicht wagen, diese Kontoauszüge auch nur einem einzigen Menschen meiner Umgebung, die alle vollkommen »normal« sind, ausgestattet mit der sogenannten natürlichen Empfindung und mit anerkennenswerten Fähigkeiten in ihrem Beruf, zu zeigen, alle diese Leute würden mich für verrückt halten. Und ich selbst greife mir auch auf den Kopf und schliesse mit diesem Aufdenkopfgreifen diese Einleitung zu Vorschlag 3, den ich Ihnen hier

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