Der Briefwechsel
nach unserer klaren Einigung des Vorabends bestürzt war. Ich war aber doch, im Hinblick darauf, dass die Dreharbeiten im Gang waren, froh, dass Du uns überhaupt noch helfen wolltest und akzeptierte das Darlehn unter der Bedingung, dass es der Firma road movies, statt mir persönlich, gegeben würde. So ist es wohl auch geschehen, denke ich. 1 Und dann ging die Arbeit, dank der Hilfe des Verlags auch, ohne grosse materielle Sorgen vonstatten. Jedenfalls war es eindeutig abgemacht, in unserem ersten Telefongespräch, dass Du Dich mit Schaffler über den Herausgabemodus einigen solltest. Und dann wartete ich darauf, fragte auch Schaffler am Telefon einige Male, ob Du mit ihm das Projekt der Gemeinschaftsausgabe geklärt hättest (worüber er nicht erfreut war – aber was wohl als nicht anders möglich eingesehen worden wäre, schliesslich): und schliesslich, als keine Nachricht kam, war es mir, das muss ich jetzt auch sagen, recht so: denn es ist mir doch eine Art Bedürfnis, ab und zu etwas im Residenz Verlag zu veröffentlichen, der mir am Herzen liegt. Ich möchte das gar nicht weiter erklären müssen, es ist mir selbstverständlich.
Selbstverständlich auch hätte ich an dem Film weitermachen können, wenn Dein (sehr willkommenes) Darlehen nicht so pünktlich telegrafisch überwiesen worden wäre. Ich (ja, allein ich) hätte eben woanders das Geld, um das sich die Produktionsfirma so schlecht gekümmert hat, aufgetrieben. Dass ich den Suhrkamp Verlag vorschlug der Geschäftsführerin, war nur das Naheliegende und erste. Ich habe noch nie in meinem Leben eine äussere Macht gespürt und ausgeübt: bei der Arbeit an dem Film ist mir aber klar geworden, dass ich eine solche habe (gehabt habe) und dass ich sie auch, und zwar ohne Bedenken, ausgenützt hätte:
322 denn es lag und liegt mir an dem, was ich gemacht habe. Dass ich diese Macht nicht benutzt habe, bedauere ich jetzt bei unsrer Auseinandersetzung (es ist eine geworden) doch wieder.
20. Juni 1977
[handschriftlich]
Lieber Siegfried, ich habe den Brief noch einmal aufgemacht – es ging noch weiter, und mir fiel ein, wenn man das ganze im Gespräch abmachte, wäre es besser. Nur eins: ich sehe nicht ein, warum ich dem Verlag Schaden zugefügt haben soll: jeder weiß, daß ich zwischendurch (und von Anfang an: »Begrüßung des Aufsichtsrats«) auch im Residenz Verlag publiziere. Und vor allem sehe ich nicht ein, warum ich mir sagen lassen soll, daß ich dem Verlag Schaden zugefügt hätte. – Am 3. oder 4. Juli fliege ich für 10 Tage in die USA . Entweder vorher oder nachher könnte ich in Frankfurt sein. Ab 15. 7. bin ich bei Wim Wenders, zum Schneiden des Films: 8 München 90, Willroiderstr. 12, zu erreichen. Tel. 089/647309. 2
Wenn es Dir recht ist, zahle ich Dir das Darlehen an die Firma sofort zurück.
Ich bin noch bis 29. 6. hier, bringe dann Amina nach Österreich.
Es grüßt Dich,
Dein Peter
1
Burgel Zeeh erstellte unter dem Datum des 11. Juli 1977 eine Notiz zu den Verhandlungen über die Finanzierung des Films Die linkshändige Frau: »lt. Herrn Marrés Unterlagen gab es im März folgende Kontakte zu Road-Movies-Produktion GmbH Berlin. 18. 3. Fr., Anruf der Geschäftsführerin Regina Ott-Gundelach bei Dr. Unseld: Bitte um Unterstützung der Produktion des Spielfilms von Handke, ›Die linkshändige Frau‹. 21. 3., Mo., Ausführlicher Brief von Dr. Marré an Road Movies. 25. 3. Fr. Besuch von
323 Frau Ott im Verlag. Vorstellung des Projekts. Diskussion von Finanzierungsalternativen. Entscheidung: Darlehen des SV an RM (100.000, – DM ). Auszahlung des Darlehensbetrages (vor Abschluß des Darlehensvertrags) an Herrn Handke privat (später umgebucht auf RM ) nach Paris. 4. 4. Mi, RM legt Darlehensvertrag vor. Im weiteren Verlauf dann Vertragsunterzeichnung mit RM .«
2
P. H. traf S. U. am 5. Juli 1977 in Frankfurt. In der Chronik 1977 hielt S. U. unter diesem Datum fest: »Peter Handke in Frankfurt. Ich bangte diesem Gespräch entgegen. Würden wir uns trennen? Wir hatten zu disparate Anschauungen in Sachen meiner Film-Unterstützung und seines Versprechens, das Journal [ Das Gewicht der Welt ] nur hälftig zu Residenz zu geben. Doch das Gespräch glitt leicht über diese Punkte hinweg; ich breitete ihm noch einmal meinen Standpunkt aus, freundlich, höflich, bestimmt. Aber auch er war an einer Verhärtung der Standpunkte nicht interessiert, und so verlief dann der Abend unverbindlich-freundlich.« P. H. flog am
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