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Der Briefwechsel

Der Briefwechsel

Titel: Der Briefwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Peter-Unseld Handke
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vieler Theater, Kritiker aller Zeitungen waren anwesend und auch die Regisseure, die in Kürze die Aufführungen in Frankfurt und Hamburg inszenieren werden, Hans Hollmann [Schauspiel; Premiere: 15. März 1997] und vom Thalia Theater Herr Gotscheff [Premie
669 re: 8. Mai 1997]. Aufführungsdauer dreieinviertel Stunden, dazwischen eine Pause nach zwei Stunden. Bis zur Pause war die Aufführung spannend und durchaus kurzweilig. Handkes neuer epischer, nicht dramatischer Form entsprach die liebevolle, ins Detail gehende Inszenierung: Das bestechende Bühnenbild von Achim Freyer, die Kostüme von Maria-Elena Amos, ein riesiger Aufwand an Schauspielern, Fabeltieren und viel Beiwerk. Sterne segeln durch die Luft, Vögel fliegen über die Bühne, Flaggen brennen, Kinderschiffe entstehen und verfallen, Weizen wächst aus schwarzem Boden und geht wieder ein. Quer über die Bühne werden Opfer von Tätern gejagt, und noch am Schluß erscheint die ›Raumverdrängerrotte‹ als drohende und mahnende Erscheinung: Gewalt wird kommen, wenn unter den Menschen nicht eine andere Ordnung aufkommt. […] Am Schluß großer Beifall. Als nach unzähligen Verbeugungen der Schauspieler Peymann mit seiner Regiemannschaft auf die Bühne kam, Ovationen, und, als schließlich Handke doch auf der Bühne erschien, Jubel.«
    [555; Anschrift: Chaville; Fax 1 ]
    Frankfurt am Main
    28. Mai 1997
    Lieber Peter,
    ich bekomme heute von Roger Straus einen Brief, den ich Dir in Kopie zuschicke. Ich wäre doch dafür, daß wir Deine Rechte bei ihm belassen sollten, vielleicht gelingt es uns, statt $ 15.000,– noch $ 20.000,– zu erreichen; ich würde den Versuch dann selber bei Roger Straus machen. Bitte sag mir noch Deine Meinung, bevor Du auf Reisen gehst. 2
    Herzliche Grüße Dein
    gez. S. U.
    1
Der Briefdurchschlag weist den maschinenschriftlichen Zusatz von Burgel Zeeh auf: »Lieber Peter, das Fax ging nicht durch, jetzt sind Sie – lt. Raimund [Fellinger] – schon unterwegs, so vertraue ich den Brief der Post an. Ihre [Burgel Zeeh]«
2
670 In einem Brief an S. U. vom 20. Mai 1997 schlug Roger Straus eine Vorauszahlung von $ 15.000 für die Rechte an der amerikanischen Übersetzung von In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus vor. Am 25. Juni 1997 bat S. U. um eine Erhöhung der Vorauszahlung auf $ 20.000. Am 14. Januar 1999 wurde der Verlagsvertrag abgeschlossen mit der zunächst angebotenen Vorauszahlung.
    [556; handschriftlich; Briefpapier Kurklinik Buchinger am Bodensee]
    Überlingen
    30. Juli 1997
    Lieber Peter,
    wie der Apotheker von Taxham in seinem »Iwain« habe auch ich jeden Abend in Deinem wirklich großen Buch »In einer dunklen Nacht« gelesen. Jetzt zum dritten Mal. Und immer wurde mir Neues aufgeschlüsselt. Du stimmst den Leser poetisch in die Geschichte ein, in die Zeit, da die Geschichte spielt. Der Schlag an des Apothekers Kopf, der sich dann in »neuem Zustand« befindet, die Zwischenzeit, der Rabe (wie schön!). Der Apotheker ist zur Reise bereit: »… die Hände am Steuer, vor der Abfahrt noch eine Seite im Epos gelesen. Kein Wind bis jetzt an dem dunklen Tag: dafür das Wehen aus dem Buch«! Dann die Reise, das Epos, die Stummheit. Die Liebe zwischen Apotheker und der »Siegerin«. Eine Liebesgeschichte! Merkwürdige Dinge ereignen sich, Raum und Zeit gehorchen wie im Traum anderen Gesetzen. Dann Santa Fe wo der Apotheker den verstoßenen Sohn erkennt. Dann das Größte des Buches, der Gang durch die Steppe, die Steppenlandschaft, Wiederbegegnung mit der »Siegerin«. Überwindung der Stummheit. Die »Begeisterung vom Dasein«, die auch den Leser erfaßt. Diese Steppenwanderung ist vielleicht das Schönste, das ich von Dir kenne, ich danke Dir.
    671 Gegen Ende klärt sich ja auch das oft Rätselhafte der Erzählkonstruktion. Der Apotheker erklärt dem Ich-Erzähler: »Keiner soll Herr dieser Geschichte sein«. Der Apotheker ist der Erzähler, die »Ich« genannte Person ist der Schreiber, der Aufschreiber dieser Geschichte. »Der mir diese Geschichte erzählt hat.« Und wir erfahren, warum sie aufgeschrieben wird. »Die Geschichte selber will es so«. Ursprüngliches Erzählen. Indem eine Person etwas erlebt, sie diese Geschichte sich selbst erzählt und in der schriftlichen Form so angelegt ist, daß sie für den bestimmt ist, der sie erlebt hat, dadurch erhält sie Wahrheit und Allgemeingültigkeit. Diese Erzählhaltung zeigt Dir Satz für Satz und gibt am Ende den Schlüssel zur

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