Der Briefwechsel
on. – So grüßt Dich
Dein Peter
P. S.: (Heute früh habe ich mit Freude und nicht ohne Weh in Hrabals »Wer ich bin« gelesen – fast Lust auf Prag bekommen.) 1
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Bohumil Hrabal, Wer ich bin , erschien 1989 in der Übersetzung von Susanna Roth im Suhrkamp Verlag.
[566; handschriftlich]
[Chaville]
13. September 1998
Lieber Siegfried,
nun schicke ich dir das Stück doch schon (obwohl ich, nach der Rückkehr aus Spanien, noch ~ 10-12 Seiten streichen möchte, nur streichen) – auch damit wir am 22. Sept. in Madrid etwas anderes als eher unleidige Verlags- und Lektorenprobleme zu bereden haben. Meinethalben möge auch Herr Drescher schon einmal lesen, unter dem erwähnten Vorbehalt natürlich.
Ich werde bis zum 17. hier hauswärts sein (strömender Regen seit Tagen) – dann ab 18. für vier Tage in der Sierra de Gredos, hoffentlich schneit es noch nicht – und vielleicht kann auch ich noch schwimmen, in den herrlichen Bergflüssen dort. –
So grüßt Dich
Dein Peter
(es sind auch noch mehrere Tippfehler im Skript –)
680 [567; handschriftlich; Anschrift: Chaville]
Frankfurt am Main
Klettenbergstraße 35
25. September 1998
Lieber Peter
Doch Palace!
Um 17 h war ein Treffen von ca. 25 Models, eine hübscher und jünger als die andere. Was hätten sie sich gefreut, Dich zu sehen!
Gut, daß wir uns trafen. 1
Herzlich
Dein Siegfried
1
P. H. und S. U. trafen sich am 23. September 1998 in Madrid. S. U. hielt in seiner Chronik fest: »Flug nach Madrid. Ich nahm die 2 1 / 2 Stunden zum Anlaß, nun zum dritten Mal Peter Handkes neues Stück ›Die Fahrt im Einbaum oder Das Stück zum Film vom Krieg‹ zu lesen. Eine höchst komplizierte Sache. Handke bleibt bei seinem Thema der Rettung der Serben, ja, an zwei Stellen des Stücks wird das Serbische Volk als eine Art Vorhut einer neuen Gesellschaft erklärt. Ich traf Handke abends um 19 h. Wir blieben bis Mitternacht zusammen. […] Wieder mache ich die charakteristische Erfahrung mit ihm: seine erste Frage war: Fandest du das Stück ›nett‹? Ich sagte ihm, daß dies doch wohl keine Kategorie sei. Aber eine Stunde später fragte er dann, ob Drescher, der das Stück auch gelesen habe, es ›nett‹ gefunden habe. Das, was ich als merkwürdig bezeichne, ist: über alles Äußerliche kann man mit ihm reden, also daß die Passagen mit Abkürzungen unverständlich seien, daß die Internationalen Mountainbike-Fahrer zu lange Monologe sprächen, dann die Nennung der Journalisten Josef Joffe [ Die Zeit ] und Marc Winner von NYT [ New York Times ]. Zu der Allgegenwart von Euroscheinen erklärte er mir, daß das Stück ja im Jahre 2005 handele, dann sei der Euro ja wohl eingeführt. Dieser Zeitpunkt geht aber aus dem Stück nicht hervor. Als ich mit ihm über den ›Griechen‹ sprach, ahnte er, was ich sagen wollte, und wiegelte es ab. Es wäre keine bestimmte Fi
681 gur gemeint. Doch der Grieche ist natürlich der, der das ›Ende der Ästhetik‹ verkündet hat, der ›sich selber ausgestoßen hat‹, dessen ›Rolle undankbar, ja unmöglich‹ sei, der äußerte auf die Frage, woher er dies alles wisse, daß abendliche Flanierer auf der Vorhut einer neuen Menschheit seien. Das ist einfach wahr. Und woher er das weiß? Vom Wind. Wie im Orakel von Delphi. Natürlich drückt der Grieche Handkes Wahrheit aus. All die anderen Fragen, die ich ihm stellte, also das Ungleichzeitigwerden des einen Nachbarn mit dem anderen, das Unsichtbarwerden der Gesichter, daß das Gestammel des Waldläufers unverständlich sei, daß man über Vermeers Ansicht von Delft auch anders urteilen könne, wieso der Einbaum ein Heiligtum der Serben sei, wieso man feststellen könne, es gäbe keine Gesellschaft mehr, andererseits entsteht im Halbschlaf ein Wir, eine Gemeinschaft – auf all das gab er keine Antwort. Das sei so, er wisse dies. Wo kann man den Einbaum finden? ›Zum Beispiel im Halbschlaf. An der Grenze zwischen Schlafen und Wachen. Im tiefsten Dunkel. Mitten im Winter. Als Wintermensch. Im Überwintern‹. Ja, was heißt dieser Halbschlaf? Auf meine Frage, was dies hieße, antwortete er: es sei so. Das Merkwürdigste: von oben herab über die Bühne senkt sich eine ›Riesenapparatur herab in allen möglichen und unmöglichen Farben bemalt, mit Wimpeln und Sternen sämtlicher Staatengemeinschaften bestückt.‹ Lustig anzusehen. Die beiden Regisseure fragen: ist das eine STO – eine Stalinorgel? Der Ansager: Nein, eine NWO – eine neue
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