Der Briefwechsel
brachte einen Vorabdruck des Tagebuchs von Luise Rinser, das im selben Jahr unter dem Titel Baustelle im S. Fischer Verlag erschien. Der Vorabdruck enthielt die Passage: »Eröffnung der Buchausstellung des Suhrkamp- und Inselverlages im Goethe-Institut (in Rom [1967; siehe Brief 60, Anm. 3]). Unseld, der Verleger, hält eine Rede. […] Unseld, braungebrannt von drei Ferientagen auf Ischia, schwimmt in seinem Element; ihm ist jede Kraftprobe recht, er siegt spielend; er trinkt, trinkt noch einmal, prostet zu, spießt Krabben vom Teller seiner Nachbarin und, vorne an ihr vorbeilangend, auch hinter ihr vorbeilangend, vom Teller Peter Handkes, kauft einer Blumenfrau rote Rosen ab, wirft jeder von uns Frauen eine über den Tisch hinweg zu, umarmt enthusiastisch und wiederholt Frau Feltrinelli, redet mit seinen braunen großen Händen, verstrahlt bäurische Naivität und den berechtigten, den unverhohlenen und darum sympathischen Stolz auf eine verlegerische Leistung. […] Später kommt Unseld zu mir, und wir setzen uns ans obere freie Ende der Tafel … Interessant übrigens aus Unselds eigenem Mund zu hören, daß er an manche seiner drauflos experimentierenden Autoren gar nicht wirklich glaubt, sondern einen eher konservativen Geschmack hat, einen Geschmack an, sagen wir, ethischen Werten, auch an Religion, am Glauben. Er fällt nur zum Schein und aus Geschäftssinn auf manches bloß Modische herein.«
169 [132]
Frankfurt am Main
11. März 1970
Lieber Peter,
schönen Dank für Deinen Brief vom 6. März. Es tat mir sehr leid, daß ich Dich gestern nicht sehen konnte, doch ich hatte komplizierte Gespräche mit Enzensberger. Ich hoffe, Du hattest einen guten Abend im Buchhändler-Seminar. 1
Ich bestätige Dir den Eingang der endgültigen Fassung von »Quodlibet«. Gerne nehmen wir das im »Spectaculum« auf.
Ich nehme auch zur Kenntnis, daß wir Text 10 aus der »Chronik der laufenden Ereignisse« für die »suhrkamp information« übernehmen können. 2 Ich werde Dir zu dieser »Chronik« noch einen besonderen Vorschlag machen. An welche Fotos denkst Du, an bestimmte oder an Fotos der Fernsehaufzeichnung?
Wir haben sofort DM 5.000 an Frau Maria Handke geschickt. Der andere Betrag steht Dir hier zur Verfügung. Ich bin froh, wenn ich ihn jetzt nicht überweisen muß. Ich kann ihn hier natürlich gut gebrauchen. Die genannten Adressen haben wir mit dem »Tormann« bedacht. Die DM 40,– sind an das Finanzamt in Düsseldorf überwiesen worden.
Ich hoffe, daß sich Libgart in Paris wohlfühlt.
Herzlich
Dein
[Siegfried Unseld]
Anbei ein Artikel aus »The New Republic« 3
1
170 Am 10. März, als P. H. in der Buchhändlerschule in Frankfurt-Seckbach aus Die Angst des Tormanns beim Elfmeter las, besprachen Hans Magnus Enzensberger und S. U. die gesellschaftsrechtliche Konstruktion eines neu zu gründenden Kursbuch-Verlags, nachdem beide sich darauf verständigt hatten, daß nach Heft 20 das Kursbuch nicht mehr im Suhrkamp Verlag erscheinen sollte.
2
In der suhrkamp information erschien in Heft 1/1970, S. 14, unter der Überschrift Der Schalter eines Fundbüros die zehnte Einstellung des Filmskripts zu Die Chronik der laufenden Ereignisse .
3
Die Anlage ist nicht ermittelt.
[133]
Frankfurt am Main
21. April 1970
Lieber Peter,
wir haben vereinbart, daß wir im November 70 in der »edition suhrkamp« 4 Hörspiele von Dir veröffentlichen. Könntest Du uns noch einmal die definitiven Titel schicken? Und sollen wir in diesen Band die »Chronik der Zeitläufte« mit hineinnehmen?
Der Band ist, wie gesagt, für November geplant. Wir sollten also die Manuskripte bis spätestens Ende August haben. Wir müssen aber das Programm vorankündigen und hätten deshalb gerne vorher schon einige Unterlagen.
Schöne Grüße
Dein
[Siegfried Unseld]
171 [134; handschriftlich]
Paris-Cité Chaptal
7. Mai 1970
Lieber Siegfried,
gestern habe ich in der » FAZ « gelesen, daß Paul Celan sich ertränkt hat. Es soll schon Ende April gewesen sein. Wo hat er gewohnt in Paris? Du hast ihn ja wohl getroffen, als Du im Februar hier warst … Ende April war es noch ziemlich kalt. 1
Vor ungefähr einer Woche war ich in Frankfurt, Du warst aber gerade in den USA . 2 Ich schaute am Nachmittag in den Verlag hinein. Mit Herrn Busch sprach ich über die Hörspiele, die in der »Edition« erscheinen sollen. Drei sind fertig, am 4. (es ist ganz kurz) arbeite ich gerade. Die Titel sind: »Hörspiel«, »Hörspiel
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