Der Briefwechsel
Übersetzung machen möchtest? Zum Beispiel einen Voltaire, zum Beispiel »Candide«? Das ist nur eine Anfrage für Deine Überlegungen und auch für meine.
Herzliche Grüße
[Siegfried Unseld]
[127; Anschrift: Paris-Cité Chaptal]
Frankfurt am Main
5. Februar 1970
Lieber Peter,
ich werde am Wochenende 14./15. Februar in Paris sein. Wahrscheinlich bin ich Samstagnachmittag und -abend mit Beckett zusammen. Könnten wir uns am Sonntagvormittag treffen und dann vielleicht zusammen essen gehen? Bitte schreib mir eine Zeile, ob ich Dich erreiche.
Herzliche Grüße
Dein
[Siegfried Unseld]
163 [128]
Paris-Cité Chaptal
8. Februar 1970
Lieber Siegfried,
bis 16. bin ich mindestens in Paris, dann fahre ich erst nach Berlin, so daß wir uns leicht treffen können. Am Vormittag bin ich meistens zu erreichen, außer in der halben Stunde, in der ich was frühstücken gehe. Am Nachmittag fahre ich dann in der Regel von Kino zu Kino. 1
Ich bin ein bißchen erstaunt darüber, daß Du schon zweimal in Briefen an mich das Wort »Sitzen« verwendet hast. Einmal hast Du es mir nach Berlin geschrieben (ich »säße« in Berlin und wüßte wohl nichts anzufangen), und nun, in Deinem vorletzten Brief, schreibst Du, Du stelltest Dir vor, ich »säße« in Paris und langweilte mich. Ich muß Dir sagen, daß ich das sehr beleidigend finde. Ich kann mir natürlich ein Stehpult anschaffen und an einem Stehpult schreiben wie Gerhart Hauptmann, aber im Moment kann ich einfach nicht anders als beim Schreiben zu sitzen. Aber Du hast das Wort ja metaphorisch gemeint, was noch viel schlimmer ist. Es zeigt eine Vorstellung des Verlegers vom Leben eines (»seines«) Autors, die ich beängstigend finde. Sicher ist meine Aktivität nicht so verfilmbar wie die eines wirklich aktiven, im Leben stehenden Tatmenschen … Aber Schluß jetzt damit. Im übrigen habe ich in den letzten zwei Monaten recht heftig an einem Fernsehfilm gearbeitet, zu dem ich das Buch gestern fertiggeschrieben habe.
Ich meinte, es ginge aus meiner Beschreibung der »Geschichten aus dem Wienerwald« klar hervor, was ich von dem Stück hielte. Nur was man wirklich liebt, kann man so lang und breit beschreiben. Im übrigen ist es keine Beschreibung des Stücks, sondern eine Beschreibung der Dramaturgie des Stücks. 2
Mit herzlichen Grüßen
Dein Peter
1
164 S. U. hielt sich zwischen dem 13. und 15. Februar in Paris auf. Er traf dort Paul Celan sowie Samuel Beckett und P. H. (die sich zum ersten Mal persönlich bei einem Mittagessen in der Closerie des Lilas am 15. Februar begegneten). Der Reisebericht Paris, München, 13.-17. Febrauar 1970 , vermerkt: »Peter Handke hat einen Fernsehfilm geschrieben: ›Chronik der laufenden Ereignisse‹. Die Fernsehrechte liegen beim Verlag der Autoren. Das Manuskript habe ich mitgebracht; Herr Canaris möchte es bitte lesen und ein kurzes Gutachten dazu schreiben.
Handke ist bereit, Voltaires ›Candide‹ zu übersetzen. Ich habe ihm eine Ausgabe gegeben. Falls wir definitiv darauf zurückkommen, müssen wir dann noch eine Vereinbarung mit ihm schließen. Die Übertragung ist für die Insel gedacht, möglicherweise für ein neues Projekt.
Der ›Tormann‹ soll verfilmt werden, und zwar von Herrn Wim Wenders (8 München 80, Einsteinstraße 151, Telefon 44. 12. 59). Bitte dringlich 5 Lese-Exemplare hinschicken (Frl. Ritzerfeld bitte).
Ich brachte Handke und Voisin zusammen. Diskussion des Standes der Verhandlungen mit Peter Brook die französische Aufführung von ›Gaspard‹ betreffend. Voisin ist, wie immer, glänzend an der Arbeit.
Mit Handke habe ich über die Frage ›Quodlibet‹ gesprochen. Es ist ihm klar, daß alle Publikationsrechte bei uns liegen. Er hat ein Versprechen an ›Theater heute‹ gegeben, jedoch mit dem Hinweis, daß die Rechte bei uns einzuholen sind. [ Quodlibet wurde abgedruckt in: Theater heute , 3/1970, S. 41-44.] Frau Bothe, das bitte aufnehmen.
Die Abrechnungen Handke sollen ihm nach Paris geschickt werden.
Den Termin mit der Buchhändlerschule hat er im Auge, aber es ist wohl wichtig, ihn noch einmal zu erinnern. Er möchte in Frankfurt untergebracht werden [siehe Brief 132, Anm. 1].
Was das Problem ›Mündel‹ in Berlin betrifft, so möchte er ›Mündel‹ gern in der Schaubühne sehen, aber sollte das Forum Theater auf der Aufführung des ›Mündel‹ bestehen, so wird die Aufführung eben dort erfolgen. [Die Uraufführung fand am 11. September 1970 in der Regie von Hans Peter
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