Der Briefwechsel
der ›Publikumsbeschimpfung‹ in Ulm verabschieden und mit demselben Stück in Kassel anfangen. Was meinen Sie zu diesem Plan? Ich fände das einen guten Anfang.
Bitte schreiben Sie, ich warte derweil noch mit allem ab; ich möchte nichts tun, was Ihnen nachher nicht gefällt.« P. H. antwortete am 12. Dezember 1965: »Ich freue mich sehr, daß Ihnen mein Stück gefällt. Ihr Brief hat mir auch einen gewissen Ansporn für das geplante Stück gegeben. Mit Ihren Vorschlägen bezüglich der Aufführung (Sie schreiben von Ulm und Kassel) bin ich sehr einverstanden. Ich habe für das Stück ganz wenige Änderungen vorzuschlagen, und die möchte ich gleich hier anführen. [Es folgt eine Liste mit vier Korrekturen zur Publikumsbeschimpfung , die sich mit Seitenangaben auf ein Typoskript beziehen.] […] Ich schicke Ihnen auch die zum Stück gehörigen Regeln für die Schauspieler, die ich gern im Textbuch drin hätte.« Die »Regeln für die Schauspieler« unterscheiden sich vom einzeilig getippten Typoskript des Stücks durch eine großzügigere Gestaltung. Sie wurden von P. H. mit »11. 12. 65« datiert (siehe DLA , SUA , A: Suhrkamp Verlag, Handke, Peter). Dem Brief liegt außerdem eine Typoskriptseite mit einem neuen Schluß, einer modifizierten »Beschimpfung«, bei.
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Das erste Heft der österreichischen Literatur- und anfangs auch Kunstzeitschrift manuskripte , von Alfred Kolleritsch und Günter Waldorf gegründet und herausgegeben, erschien 1960. P. H. veröffentlichte darin ab 1964 – unter anderem im Heft 12 von 1964, S. 20-23, Aus dem Roman Die Hornissen: Die Liturgie .
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Graz
23. November 1965 1
Liebe Frau Conradi,
vielen Dank für Ihren ganz unbürokratischen Brief. Ich danke Ihnen auch für die Mühe, die Sie sich wegen meines Honorars gemacht haben.
Ich habe ein Konto (ein recht formelles freilich): 31028 Steiermärkische Sparkasse, Graz, Eisernes Tor.
Ich bin sehr froh, daß Sie das Stück nehmen wollen. Es ist eigentlich mein erster derartiger Versuch, ich habe sonst immer nur Prosa geschrieben. Nur vor einem Jahr, zu einer Zeit, da ich (wie auch heute) von der Beatmusik begeistert war, habe ich ein kurzes, etwa fünfzehn bis zwanzig Minuten langes Sprechstück geschrieben, mit Namen »Weissagung«, das von drei oder vier Sprechern gesprochen wird und nach den Klangelementen der Beatmusik, vor allem der »Rolling Stones« | (= eine Beatgruppe) | (nicht lachen) gemacht ist. Inhaltlich (oder sprachlich) besteht es aus rhythmisch aneinandergereihten Tautologien, die völlig unlogisch aufeinander folgen und nur ein Klangbild ergeben, durch Überschneidung, gemeinsames Sprechen, Sprechen im Kanon, Litaneien etc. (»Die Fliegen werden sterben wie die Fliegen. Die Hyänen werden heulen wie die Hyänen. Der Verrückte wird rennen wie ein Verrückter …«: so ähnlich fängt es, glaube ich, an.) Ich schreibe das deshalb, weil Sie sagen, die »Publikumsbeschimpfung« sei für die »Edition Suhrkamp« zu kurz. Vielleicht könnte man die »Weissagung« dazutun. Außerdem habe ich noch einen Stückplan »im Kopf«: zu diesem aber ist mir der Knopf noch nicht ganz aufgegangen.
Ich bin überzeugt, daß die »Publikumsbeschimpfung« aufführbar ist. Darum ist sie auch geschrieben. Ich möchte
24 noch eine Anleitung schreiben, wie ungefähr man es machen sollte. Es gibt nur eine Schwierigkeit: Sprecher dafür zu finden. Wie Sie wissen, hatte ich die Absicht, das Stück zur Erprobung hier in Graz im Forum bringen zu lassen. (Das ist übrigens kein richtiges Theater, das wäre eine Übertreibung, aber es hat eine Abteilung, die für das Theater zuständig ist.) Es ist nun unmöglich, es hier zu bringen, weil ich fast niemanden wüßte, der es machen könnte. Also habe ich diese Absicht nicht mehr. Vielleicht gibt es in Deutschland andere junge Schauspieler. Das Forum hat zudem keinen großen Theaterraum, und der gehört halt dazu. Für intime Experimentierbühnen ist das Stück ungeeignet, für einen Keller ganz und gar. Es gehört in ein normales großes Haus, in das die bekannten Theaterbesucher gehen. Vielleicht müßte zu seiner Aufführung ein eigenes Ensemble gegründet werden, das von einem Theater zum andern fährt. (Eine Illusion)
Sollte die »Publikumsbeschimpfung« (mit den zwei anderen Stücken) in der » ES « erscheinen können, so wäre das der Idealfall in meinen Augen. Man hätte die Gewähr, daß es unter die Leute kommt. Es kann ja auch gelesen werden, wozu es in einer
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