Der Briefwechsel
zweite Rate, die am 31. Dezember fällig gewesen wäre, schicken wir ebenfalls jetzt schon ab, freilich auf normalem Wege; ich nehme aber an, sie wird Sie innerhalb von acht Tagen erreichen. Im übrigen wäre es gut, Sie hätten ein Konto, damit wir zukünftig Überweisungen leichter tätigen können. Bitte entschuldigen Sie nochmals das Versehen, es wird nicht wieder vorkommen. Ich habe meiner Buchhaltung auch entsprechende Anweisung gegeben, daß sich der Fall auch nicht bei anderen Autoren wiederholt.
Ich habe »Publikumsbeschimpfung« jetzt gelesen und den Text auch meinen Mitarbeitern im Theaterverlag gegeben. Wir stimmen überein, es ist Ihnen da ein wirklich schönes Stück gelungen, das auch Aufführungschancen hat. Ich möchte für den Verlag und Theaterverlag Suhrkamp Publikations- und Aufführungsrechte für das Stück erwerben. 1 Wir könnten als Vorauszahlung auf die anfallenden Honorare einen Betrag von DM 1.200,– vereinbaren. Sind Sie damit einverstanden, wenn ich Ihnen einen solchen Vertrag zuleite? Sind Ihre Absprachen mit dem Forum Theater definitiv? Wir möchten von uns aus die Theater sehr bald auf dieses Stück aufmerksam machen. Dabei spielt es natürlich eine Rolle, ob wir die Uraufführung oder eine deutsche Erstaufführung vergeben können. Wenn Sie schon definitive Abmachungen haben, so wollen wir dann in unserem Vertrag diese Aufführung ausklammern. Ich überlege mir noch eine Form, wie man das Stück publizieren könnte. Sie deuteten an, daß die Zeitschrift »manuskripte« es bringen möchte. Das kann man machen, und doch hat es eigentlich wenig Wirkung, die Zeitschrift kommt ja doch so etwas außerhalb der Öffentlichkeit heraus. Andererseits werden andere Zeitschriften kaum etwas abdrucken, was in den »manuskripten« stand. 2 Für eine separate Veröffentlichung, etwa innerhalb der »edition suhrkamp«, ist der
21 Text freilich, selbst bei großzügigem Druck, zu schmal. Aber wer weiß, ob Sie vielleicht doch noch etwas in der Schublade haben oder im Kopf, so daß wir zu einem späteren Zeitpunkt einen Band machen könnten.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr(e) Conradi / Unseld
in Abwesenheit von Dr. Unseld
1
Am 8. Dezember 1965 schrieb Karlheinz Braun an P. H.: »Sehr geehrter Herr Handke, es wird Zeit, daß ich Ihnen schreibe und mich Ihnen vorstelle als denjenigen, der sich bei Suhrkamp mit dem beschäftigt, was mit dem Theater zu tun hat, also auch mit der ›Publikumsbeschimpfung‹. Herr Dr. Unseld gab mir Ihr Sprechstück, ich hatte es gleich gelesen, mit einiger Begeisterung, muß ich sagen. Das hat Witz und Tiefe, beschäftigt sich mit dem, mit dem sich alle dramatischen Autoren beschäftigen müßten – aber Sie machen es auf eine derart direkte Weise, daß einem – und hoffentlich auch denen, auf die es gemünzt ist – die Spucke wegbleibt. Das sollten wir unbedingt machen, ich glaube, Herr Dr. Unseld hat es Ihnen auch schon geschrieben, und ich habe Ihren Antwortbrief gelesen [siehe Brief 11], in dem Sie von weiteren Stücken schreiben, von einem ersten ( Weissagen ) und einem geplanten (mir hochinteressanten), der Beichte . Der richtige Start auf dem Theater scheint mir die ›Publikumsbeschimpfung‹ zu sein. (Welcher Dramatiker hätte wohl schon damit angefangen?) Da das Grazer Projekt sich wohl inzwischen zerschlagen hat (was sicherlich ganz gut ist), sollten wir uns überlegen, was wir tun können.
1. Zuerst müssen wir die Textbücher herstellen. Dazu brauche ich den ›endgültigen‹ Text. Ich kann mir vorstellen, daß der Text, den Sie uns schickten, der endgültige Text ist. Jedenfalls wüßte ich Ihnen keine Änderungsvorschläge (theoretisch) zu machen. Was eventuell noch zu ändern wäre, das müßte sich aus den Proben ergeben. Das Ganze scheint mir eine Sache des Rhythmus zu sein, der Ökonomie, der Form. Das alles ist aber letzten Endes nur bei der praktischen Arbeit endgültig zu klären (wenn man kein Beckett ist). Bitte schreiben Sie mir, ob dies der endgültige Text ist, bzw. schicken Sie noch die eventuellen Änderungen und die An
22 merkungen, die Sie in Ihrem Brief an Fräulein Conradi erwähnen. Wir werden dann sofort die Textbücher herstellen.
2. Sie sollen dann auch den entsprechenden Bühnenvertrag erhalten.
3. Wie wäre es mit einer Uraufführung in Ulm. Die Ulmer sind einiges gewöhnt und Ulrich Brecht, der Intendant, verläßt mit dem Ende dieser Spielzeit Ulm, um als Intendant nach Kassel zu gehen. Er könnte sich mit
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