Der Briefwechsel
Zeitschrift weniger Chancen hat. Ich jedenfalls lese Stücke, die in Zeitschriften stehen (wie im »Theater heute«), recht ungern, während ich Stücke, die in der »Edition Suhrkamp« stehen, wenn nicht schon gern lese, so doch mindestens gern zu lesen anfange . Das Stück in eine Anthologie von Theaterstücken zu bringen, ist ein Unding. Außerdem wäre es in der »Edition Suhrkamp« ein Buch , und so könnte ich das Stück trotzdem mit Ihrer ausdrücklichen Genehmigung in der Zeitschrift »manuskripte« drucken lassen, die zwar wahrscheinlich wirklich außerhalb der von den Konsumenten gebildeten Öffentlichkeit erscheint, aber sicher auch ihre Funktion hat, wie man so sagt, und zwar als die einzige diskutable Literaturzeitschrift hier in Österreich .
25 Entschuldigen Sie, daß der Brief so lang geworden ist.
Sie schreiben, ob ich einverstanden sei, daß Sie mir den Vertrag zuleiten. Und ob ich das bin. 2
Herzliche Grüße
Ihr
Peter Handke
| N. S. Inzwischen ist mir auch das 3. Stück klar geworden. Es soll »Beichte« heißen und dauert ca. 30 Minuten. Es sprechen ein junger Mann und eine ebensolche Frau. Die Thematik ist ähnlich sprachintern wie bei den zwei ersten. Aufgebaut ist es aus Redensarten, die die Beichtenden in der Kirche gebrauchen (»Ich habe den Namen Gottes totgeschwiegen, ich habe sündige Gedanken gehabt etc.«), die Welt wird in Beichtformeln gefaßt. Ich möchte diese unlogisch reihen und untersetzen mit nichtssagenden Aussagen als Kontrast: (»Ich bin über Straßen gegangen«) sowie mit juristischen Formeln (»Ich habe mir fremdes Gut angeeignet«). Gebeichtet wird ans Publikum. Es ist ein ähnliches Beatband-Stück wie die zwei ersten.
Dazu habe ich eine kleine Abhandlung über die Beatles geschrieben, die man dem allen voranstellen könnte. Bitte, schreiben Sie, ob Sie damit einverstanden wären. Und Entschuldigung noch einmal.
Ihr P. H. |
1
Der Brief trägt den handschriftlichen Vermerk von S. U.: »Dr. Braun, Ritzerfeld z. K.«.
2
Helene Ritzerfeld sandte am 13. Dezember 1965 P. H. den Publikations- und Aufführungsvertrag für die »Publikumsbeschimpfung« nach Graz mit der Bitte, »den Vertrag auch Ihrerseits zu prüfen«. Am 5. Januar 1966 retournierte sie P. H. den von S. U. gegengezeichneten Vertrag.
26 [12; Anschrift: ›Graz‹]
Frankfurt am Main
30. November 1965
Lieber Herr Handke,
der letzte Brief, den Sie vom Verlag erhalten haben, war von meiner Sekretärin, Fräulein Conradi unterschrieben. Doch ich habe ihn ihr selbst diktiert, und es lag mir daran, mich für das Vorausgegangene zu entschuldigen.
Ich hoffe, Sie haben nicht nur die fällige Rate, sondern auch die anderen zwei Raten, die für Ende Dezember vorgesehen waren, erhalten. In Zukunft werden wir alle Beträge auf Ihr Konto bei der Steiermärkischen Sparkasse überweisen.
Könnten Sie mir die »Weissagung« zugehen lassen? Wie ich Ihnen ja schon sagte, gefällt mir »Publikumsbeschimpfung« sehr. Ich werde Ihnen einen Aufführungsvertrag, der auch Publikationsrechte enthält, zuleiten. Nach der Lektüre der »Weissagung« können wir dann immer noch die Frage besprechen, wie wir die Sachen veröffentlichen wollen. Auch die »Beichte« klingt sehr verlockend. Sie finden mich immer zur Lektüre bereit.
Wir haben jetzt auch die ersten zwanzig Fahnen des Satzes der »Hornissen« zurückerhalten. Ich bin einigermaßen entsetzt über Ihre Korrekturen, die teilweise Neusatz und damit sehr hohe Kosten verursachen. Ich wäre Ihnen doch dankbar, wenn Sie Änderungen und Korrekturen auf das Unumgängliche reduzierten. Im allgemeinen ist es ja so, daß Autoren, wenn sie mehr als 10 % der Satzkosten verursachen, für diese Kosten aufkommen müssen (die jetzigen Kosten belaufen sich auf 45 %). Das soll, wie gesagt, nicht heißen, daß Fehler nicht korrigiert und wichtige Verbesserungen nicht vorgenommen werden sollen, aber es hat wenig Sinn, den Text in den Fahnen gewissermaßen neu zu schreiben. 1
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
[Siegfried Unseld]
1
27 P. H. hatte die Fahnenkorrekturen direkt an die Herstellungsabteilung geschickt. Die Korrekturarbeiten dauerten bis Ende Dezember.
28 1966
[13]
Graz
5. Januar 1966
Lieber Herr Dr. Unseld,
Sie haben in Ihrem letzten Brief nicht erwähnt, ob es gegen Ihren Willen ist, daß die »Publikumsbeschimpfung« in der Zeitschrift »manuskripte« erscheint. In Ihrem vorletzten Brief schrieben Sie, Sie hätten nichts dagegen, nur würde es sonst
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