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Der Brombeerpirat

Der Brombeerpirat

Titel: Der Brombeerpirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Seidentuch die Hitze aus dem Körper, die Sonne und Wut in ihr aufgestaut hatten. Und endlich erinnerte sie sich wieder daran, dass sie Urlaub hatte.
    »Willst du eine?«, fragte Rika, und als Wencke zu ihr blickte, hielt sie ihr die Zigarettenschachtel entgegen.
    Wencke schüttelte nur den Kopf. Jetzt nicht, sie hatte gerade einen Geruch wahrgenommen, der gut tat. Ein wenig nach frischem Heu und nach Rosen, und als sie tief Luft holte, erkannte ihre Nase noch einen Hauch von Meer und nassem Sand. Sie hatte lange schon nicht mehr so intensiv auf ihren Geruchssinn geachtet. Zigarettenqualm schob sich aufdringlich dazwischen. »Na gut, ich rauche eine mit.«
    Sie setzte sich auf den Rasen, zog die Schuhe aus und lehnte sich zurück, das Gesicht weiter dem Licht zugewandt. »Was ist mit Jasper?«
    »Wir haben uns gestern Abend gestritten.«
    Sie schaute Rika nicht an, doch deren Stimme klang, als hätte sie die Unterlippe vorgeschoben.
    »Ist er deswegen nicht da?«
    »Ach, das glaube ich nicht. Wir streiten uns in letzter Zeit ständig. Warum sollte er mich ausgerechnet heute verlassen? Mitten in der Saison!« Sie trank einen beachtlichen Schluck. »Du kennst doch deinen Bruder.«
    Wencke schenkte ihr nach. Warum nahm eigentlich jeder hier an, dass sie Jasper kannte? Je länger sie auf Norderney war, desto fremder erschien er ihr.
    »Wenn du wissen willst, worum es bei unserem Streit ging …«
    »Ich will es nicht wissen.«
    »… es ging um seine Band und die Kinder, mit denen er seine Zeit verbringt. Seine ganze Zeit, verstehst du? Nicht dass ich von ihm etwas anderes erwarten, geschweige denn verlangen würde, doch er schadet sich selbst damit. Er bremst sich aus. Seine ganze Energie steckt er in diese Projekte, da bleibt nichts mehr für ihn übrig. Er macht keine Fotos mehr, er schreibt kaum noch Texte, alles, was er davon hat, ist eine Menge Ärger.« Wieder war das Glas in ihrer Hand leer. »Wollen wir losziehen?«
    Mit allem hatte Wencke gerechnet, nur nicht damit. Sie hatte sich schon auf einen Abend Beziehungswälzerei mit ihrer ungeliebten Schwägerin eingestellt. Und alles war besser als das. »Klar, ziehen wir los. Und dein Rücken?«
    »Habe ich mir heile gesoffen!« Rika fiel fast aus der Hängematte, doch als sie stand, waren ihre Schritte einigermaßen sicher und beinahe geradeaus. »Ich mache mich eben noch etwas ansehnlicher. Klitzekleinen Moment, Wencke.«
    Sie zog sich am Geländer die schmale Treppe hinauf. Wencke blieb im Flur stehen und betrachtete sich in dem alten, fast schon blinden Ganzkörperspiegel, der an der Wand hing und ganz nach Jasper und Flohmarktschnäppchen aussah. Kurz überlegte sie, sich ebenfalls etwas ansehnlicher zu machen, denn ihr Spiegelbild erzählte eine Menge über den chaotischen Tag, den sie nun schon fast hinter sich gebracht hatte. Ihre kurzen Haare standen links störrisch ab, was eigentlich auch ganz witzig aussah, wenn sie nur nicht rechts unbarmherzig platt und schlaff am Kopf geklebt hätten. Zudem war mal wieder eine Nachtönung fällig, das Rot in ihrem Haar war bereits herausgefallen, wie es ihre Friseurin immer ausdrückte. Mit Wenckes eigenen Worten: Es sah nicht mehr wie Cayennepfeffer, sondern eher wie Kieselerde aus. Dafür leuchtete ihre Nase umso mehr. Wann hatte sie sich diesen Sonnenbrand geholt? Das weiße Feinripp ihres T-Shirts war unter den Armen schon etwas feucht und muffig, die kurze Jeans hatte etwas von dem Tee abbekommen, den sie bei den Konstantins trotz dickem Kloß im Hals hinuntergewürgt hatte.
    Als sie in ihrer Reisetasche nach ein paar frischen Klamotten wühlte, klingelte das Telefon.
    »Geh bitte ran«, rief Rika von oben, es hörte sich an, als ob sie sich gerade die Zähne putzte. »Ist wahrscheinlich noch ein später Gratulant …«
    Es rauschte und knisterte in der Leitung. Wenckes Herz schlug schneller. War es Jasper? O bitte, lass es Jasper sein, ich würde zu gern wissen, ob alles in Ordnung ist.
    Mit einem Mal wurde ihr klar, dass sie verdammte Angst um ihn hatte. Er war immer noch nicht da, er war in einen Todesfall verwickelt und er hatte Feinde von der Sorte, wie Veit Konstantin einer war. Und dies ließ das Schlimmste nicht unmöglich erscheinen: dass Jasper etwas zugestoßen war. Etwas, das es ihm unmöglich machte, zurückzukommen. Es konnte sein, dass er nicht mehr lebte. O Gott!
    »Hallo?«, fragte sie erneut.
    »Wencke? Bist du es? Hier ist Ansgar.«
    »Ansgar!« Sie riss sich zusammen, um die Enttäuschung

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